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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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umzudisponieren, einen Talkgast wieder auszuladen und einen anderen in die Runde zu bitten. Berno konnte sich nicht vorstellen, dass Emily bereit gewesen war, sich mit Konrad Kipp an einen Tisch zu setzen. Er kannte ihre Abneigung gegen den Musikproduzenten. Andererseits konnte sie es sich zurzeit nicht leisten, auf Fernsehpräsenz zu verzichten, nur weil ein bekannter Musikproduzent diese Gelegenheit ebenfalls nutzte. Sie würde die Zähne zusammenbeißen und ihrem Publikum weismachen müssen, dass sie zwar auf dem Gipfel ihres Erfolgs ausgerutscht und ins Straucheln geraten, aber längst wieder auf dem Weg nach oben war. Verlierer wurden nicht in eine Talkshow gebeten!
    Wieder klingelte das Telefon. Entweder war seine Mutter am anderen Ende, die sich erkundigen wollte, ob er noch bei guter Gesundheit war und nach dem Aufwachen daran gedacht hatte, etwas in den Magen zu bekommen, oder aber sein Chefredakteur hatte erfahren, dass Udo Jürgens frisch verliebt war oder Günther Jauch sich scheiden lassen wollte. Beide, Bernos Mutter und sein Chefredakteur, gehörten zu denen, die sich nicht abschütteln ließen.
    Also gut! Wenn er sich die Video-Aufzeichnung der Talkshow angesehen hatte, würde er den Hörer abnehmen und sich entweder geduldig anhören, wie sehr sich seine Mutter um ihn sorgte, oder aber seine Kamera einpacken und losfahren, um Jürgens oder Jauch aufzutreiben und zu fotografieren. Vorher nicht!
    Wie süß Emily aussah! Dieses kindliche, runde Gesicht mit den großen grauen Augen! Dazu der freche, raspelkurze Haarschnitt mit den roten Spitzen! Kaum zu glauben, dass sie schon beinahe vierzig war! Gekleidet war sie wieder so, wie es viele Teenies vergeblich zu kopieren versuchten: mit einem Mix aus verschiedenen Stilrichtungen, die nur, wenn Emily Funke sie trug, hervorragend zusammenpassten.
    Sie machte alles richtig! Lächelnd behauptete sie, dass von einem Flop ihres letzten Albums keine Rede sein könne, dass es lediglich ein paar Startschwierigkeiten gäbe. Aber dafür sei sie regelrecht dankbar, denn Menschen, die so lange wie sie von Anerkennung verwöhnt seien, brauchten gelegentlich die Erfahrung, dass das Leben mehr zu bieten hatte als den sicheren und schnellen Erfolg.
    Gut gemacht, Emily! Sehr professionell! Einen Moment freute Berno sich wieder so, als könnte er gleich ans Telefon gehen, Emily in ihrem Hotel anrufen und ihr sagen, dass sie auf dem Bildschirm eine verdammt gute Figur gemacht hatte!
    Der Moderator, ein ehemaliger Tagesschausprecher, der ins Unterhaltungsfach gewechselt hatte, schien Emily jedes Wort zu glauben, und auch das Publikum im Hintergrund zeigte lächelnde Gesichter.
    Nur Konrad Kipp zog verächtlich die Mundwinkel herab. »Kein Mensch braucht einen Misserfolg«, sagte er. »Aber es ist sehr tapfer, Emily, dass Sie sich nicht unterkriegen lassen. Zu fallen ist keine Schande! Man darf nur nicht liegen bleiben.«
    Berno sah, wie Emily im schnellen Rhythmus das linke Bein über das rechte schlug und dann das rechte über das linke. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie nervös und reizbar war!
    Genüsslich führte Konrad Kipp aus, dass die Künstler, die von ihm produziert wurden, einer wie der andere auf der Welle des Erfolgs schwammen, dass er aus begabten kleinen Sängerinnen Weltstars gemacht hatte, indem er ihnen ihre Songs auf den Leib schrieb und höchstpersönlich für ein gelungenes Marketing sorgte. »Ich würde niemals einer Sängerin zumuten, einen Film zu drehen, nur um im Gespräch zu bleiben.« Nun brachte er sogar ein väterliches Lächeln hervor, das ihm nicht stand, und ließ durchblicken, dass Emily jederzeit auf sein Mitgefühl zählen könne. »Eine solche Karriere! Und dann ein drittklassiger Film! Nein, das haben Sie nicht verdient!«
    Deprimiert schüttelte er den Kopf und betrachtete Emily, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Dass sie vor Wut kochte, konnte ihm nicht entgehen. O nein, er genoss es sogar! Und das zeigte Berno, dass er Emily nicht besonders gut kannte. Trotz der Erfahrung, die er mit ihr gemacht hatte!
    Weit holte Kipp aus und schilderte ausführlich seinen eigenen Erfolg, den er immer wieder in kleinen Spitzen mit Emilys verglich, wobei er jedes Mal, wenn ihr Name fiel, ein Gesicht aufsetzte, als sei das Ende ihrer Karriere nicht mehr aufzuhalten. Fehlte nur noch, dachte Berno, dass er tröstend Emilys Hand nimmt! Dann würde er sich eine Ohrfeige einhandeln, soviel war sicher.
    Was für eine bösartige Strategie!

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