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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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war.
    Der Wind hatte aufgefrischt, das Meer war unruhig, aufgeraut, mit vielen Gischtwölkchen und ohne die Dünung, die massig und in schwerem Rhythmus auf den Strand rollte. Voller kleiner Wellen war es heute, die aufs Ufer zuhüpften. Fahnen knatterten im Wind, Stimmen flogen mit ihm zur zweiten Etage des Hotels hinauf, aber bevor sie zu verstehen waren, wurden sie schon wieder zu Boden gerissen. Dann war es nur noch der Wind, der rief und schrie und pfiff.
    Unter mir, am Strandübergang, wo die Gästekarten kontrolliert wurden, fuhr er unter den Rock einer alten Dame, deren Schrei bis hier oben zu hören war, als sie versuchte, den Blick auf ihr Miederhöschen zu vereiteln. Aber an den grinsenden Gesichtern ringsum war zu erkennen, dass es ihr nicht gelungen war.
    Einem kleinen Mädchen glitt der Ball aus den Händen und wurde auf die Kurpromenade getrieben, noch ehe der Vater die Gästekarte hervorgeholt hatte. Er rannte dem Ball hinterher, der sich Richtung Wenningstedt davonmachen wollte, während das weinende Kind neben der Strandtasche zurückblieb. Zum Glück stellte sich ein aufmerksamer Kurgast dem Ball in den Weg, so dass ich kurz darauf beruhigt zusehen konnte, wie das kleine Mädchen sich die Tränen abwischte und davon überzeugen ließ, dass der Ball in den Händen des Vaters besser aufgehoben war.
    Es war schön, von hier oben dem Treiben auf der Kurpromenade und am Strand zuzusehen, aber ich merkte doch, dass mir das nicht lange genügen würde. Ich wollte nicht Zaungast auf der Insel sein, auf der ich aufgewachsen war, sondern wieder dazugehören. Mich unter die Sylter mischen! Außerdem musste ich mir Wäsche, Kleidung und Toilettenartikel beschaffen. Es hatte also keinen Sinn, darüber zu grübeln, wie groß das Risiko war, wenn ich mich unter Menschen traute, es musste einfach sein. Ich konnte mich hier nicht unsichtbar machen. Nur verbergen, so gut es ging. Mich unauffällig verhalten! Aber natürlich wollte ich meine Insel begrüßen. Nachdem ich sie verlassen und geschworen hatte, nie wieder zurückzukommen, musste ich ihr nun erklären, warum ich meine Meinung geändert hatte. Das würde ich am besten am Grab meiner Eltern tun können. Der Wunsch, zum Keitumer Friedhof zu fahren, wurde plötzlich mächtig und drängend. Erst danach würde ich es vielleicht auch wagen, zu dem Restaurant zu gehen, das Maik nun wohl ganz allein gehören würde. Maik Wanner! Ob ich es wagen konnte, mich ihm in meiner Verkleidung zu nähern?
    Ich fühlte mich sicherer, seit der Portier mir ohne überflüssige Fragen oder anzügliche Blicke den Zimmerschlüssel ausgehändigt hatte. So ein Hotelmitarbeiter sah und hörte viel, es war anzunehmen, dass er in den letzten vierundzwanzig Stunden meinen Namen gehört und mein Bild irgendwo gesehen hatte. Dennoch hatte er mir gleichmütig ins Gesicht geblickt, und in seiner Miene war nichts als professionelle Freundlichkeit gewesen. Keine Neugier, kein Misstrauen. Sogar meine Erklärung, warum ich mit verdächtig kleinem Gepäck reiste, hatte er mir abgenommen. Sein Bedauern darüber, dass mir mein Koffer gestohlen worden war, hatte ehrlich geklungen, und sein Angebot, sich um die Diebstahlanzeige zu kümmern, ebenfalls. Aber ich hatte ihm versichert, dass alles bereits in die Wege geleitet sei und ich den Rest gut und gern allein erledigen könne. Wenn ich mich in der Lobby so wenig wie möglich sehen ließ, würde man an der Rezeption nicht an den Hotelgast Elisabeth Maart denken, wenn jemand die Nachrichten hörte. Dass der Name, den ich beim Einchecken genannt hatte, auf einem Grabstein unter der St.-Severin-Kirche von Keitum stand, würde niemandem auffallen. Meine Mutter war ja schon lange tot …
    Der Chefredakteur der Close up gehörte nicht zu den Sympathieträgern in der Presselandschaft. Er war dick und ungepflegt, selten freundlich und lächelte nie. Niemand mochte ihn, aber alle achteten ihn. Auch Berno schätzte seine journalistischen Fähigkeiten hoch ein, traute Piet Röder darüber hinaus aber jede Schlechtigkeit zu. Niemals würde er ihn in ein Geheimnis einweihen und nie seinem Wort vertrauen. Manchmal dachte er sogar darüber nach, ob es Piet Röder war, dem er sein Unglück zu verdanken hatte. Aber das war natürlich Unsinn. Der Chefredakteur hatte genauso wenig wie alle anderen Kollegen sein Passwort und Zugriff auf seine Festplatte bekommen können.
    Berno hatte ihn ganz offen gefragt: »Wie sind Sie an die Fotos gekommen?«
    »Warum interessiert

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