Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
einfallen, wie es ihnen beliebte, und die Insel stürmen, wie sie wollten. Viele glaubten auch, dass die künstliche Barriere im Rücken der Insel die seit Jahrhunderten eingespielten Tideströme durcheinanderbringen und die Ufer gefährden würde. Aber schon meine Eltern wollten davon nichts mehr hören. Und seit die Insel vom Fremdenverkehr lebte, zweifelte niemand mehr daran, dass es richtig gewesen war, den Hindenburgdamm zu bauen. Viele kamen sogar zu der Meinung, dass er gut zu Sylt passte. Er war ja kein technisches Monster, die Fahrt mit dem Autozug glich eher einem gemütlichen Deichspaziergang. Touristen behaupteten sogar, dass sie, nachdem sie während der Fahrt auf dem Autozug durchgerüttelt worden waren, den ganzen seelischen Ballast verloren hatten und herrlich befreit auf der Insel angekommen waren. Mir war in diesem Augenblick, als könnte ich selbst auch diese Erfahrung machen.
    Als der Zug das Festland hinter sich ließ und ins Watt stach, musste ich kurz die Augen schließen. Das Bild, das sich mir öffnete, war so schön, dass ich es kaum ertragen konnte. Wie hatte ich so viele Jahre darauf verzichten können?
    Der Zug fuhr durch auflaufendes Wasser. Noch war das Waffelrelief der Wellen auf dem Wattboden zu erkennen, und die Spiralen, die die Wattwürmer in den Schlick gedreht hatten, waren noch deutlich zu sehen. Aber über allem lag bereits dieser silbrige Glanz, aus dem bald ein stiller See werden würde. Der Wind konnte ihn aufrauhen, aber es würde noch eine Weile dauern, bis er die Kraft für die ersten Wellen hatte.
    Meine Unruhe war schlagartig wieder da, als wir die Insel erreichten. Ich hatte keinen Blick für die ersten Häuser und keine Freude an der Frage, was sich während meiner Abwesenheit verändert haben mochte und was mir so bekannt war wie eh und je. Ich nahm die Füße vom Armaturenbrett und richtete die Rückenlehne auf. Den Blick, den ich dabei in den Rückspiegel warf, hatte ich nicht beabsichtigt. Und ich ärgerte mich darüber, denn Alex Traum hatte ihn bemerkt. Prompt lachte und winkte er mir fröhlich zu. Selbstverständlich erwiderte ich weder sein Lachen noch sein Winken, sondern tat so, als hätte ich beides nicht zur Kenntnis genommen.
    »Dich werde ich abschütteln! Das wäre ja gelacht!«
    Ich war entschlossen, so lange in Zickzack-Linien über die Insel zu preschen, bis ich Alex Traum abgehängt hatte. Auf keinen Fall durfte er wissen, in welchem Hotel ich abstieg. Mit einem Reporter wollte ich nichts zu tun haben!
    Der Zug fuhr in den Bahnhof von Westerland ein, die Bremsen quietschten, ein sanfter Ruck ging durch die Autos. Hinter allen Windschutz- und Heckscheiben entstand Unruhe. Und dann wurde der erste Motor gestartet, die lange Schlange der Fahrzeuge setzte sich in Bewegung. Träge zunächst wie ein vielgliedriger Wurm, dann aber löste sich ein Glied vom anderen, die Abstände zwischen den Autos wurden größer.
    Wir schlichen durch den Hinterhof Westerlands. Auf der einen Seite ungepflegte Geleise, auf der anderen die typische ebenso ungepflegte Bebauung, die es in der Nähe jedes Bahnhofs gibt. Alex Traum hielt sich dicht hinter mir, als wir auf das Schild zufuhren, das alle Autofahrer ermahnte, sich korrekt und vor allem rechtzeitig in die richtige Fahrspur einzuordnen.
    Um in den Ortskern Westerlands zu gelangen, hätte ich mich für die linke Spur entscheiden müssen. Geradeaus ging es nach List, rechts Richtung Keitum. Ich riskierte einen Blick in den Rückspiegel. Setzte Alex Traum den Blinker? Nein, das tat er nicht, aber er hielt sich rechts, als wäre Keitum sein Ziel. Möglich aber auch, dass er sich nur deshalb für diese Fahrspur entschied, weil dort die Fahrzeugschlange, die vor der Ampel hielt, am kürzesten war und er seinen Wagen neben meinen schieben konnte. Ich hatte die mittlere Fahrspur gewählt, um notfalls blitzschnell in die linke oder rechte Spur zu wechseln, wenn es galt, Alex Traum zu entkommen.
    Obwohl ich konsequent geradeaus sah, konnte ich aus den Augenwinkeln erkennen, dass er mich mit penetrantem Grinsen zu hypnotisieren versuchte. Als er dann noch anfing, alberne Handzeichen zu geben, entschloss ich mich, ihn eines letzten Blickes zu würdigen, damit er aufhörte, sich lächerlich zu machen. Mit seiner Zappelei wollte er mich anscheinend dazu auffordern, die Seitenscheibe herunterzudrehen, ihm den Namen des Hotels zuzurufen, in dem ich abzusteigen gedachte, oder am besten gleich meine Telefonnummer. Zum Glück wechselte

Weitere Kostenlose Bücher