Deine Spuren im Sand
Nein, das hätte Piet Röder ihm gesagt. Er schickte nicht Berno Kaiser los, wenn Alex Traum bereits auf Emily Funkes Spur und ein Exklusiv-Vertrag in Sicht war! Das konnte nur eins bedeuten: Alex Traum hatte Emily zufällig gefunden, ehe Berno es verhindern konnte, und der Chefredakteur wusste noch nichts davon.
»Verdammt, verdammt!«, flüsterte Berno.
Warum ließ Emily sich ausgerechnet auf Alex Traum ein? Die Antwort erschien vor ihm, noch ehe er die Frage zu Ende gedacht hatte: Sie wollte sich an ihm rächen. Die Close Up sollte die Super-Story bekommen, aber nicht durch Berno Kaiser, sondern durch Alex Traum. Nicht der gewiefte Fotograf, der schon alle möglichen Promis aufgespürt hatte, sondern der Reporter, der bisher als einer der unfähigsten der Redaktion gegolten hatte! Das wusste Emily. Und natürlich wusste sie auch, was Piet Röder davon halten würde, wenn ausgerechnet Alex das erreichte, was Berno Kaiser nicht gelang.
Mit brennenden Augen beobachtete er, wie Emily in den Wagen stieg und ihn startete. Sie fuhr langsam an, sehr langsam, und Berno konnte im Gegenlicht einer Straßenlaterne erkennen, warum. Sie hatte das Handy am Ohr und telefonierte.
Gerade wollte er zurückgehen zum Hause Tornsen, um sich dort zu überlegen, was nun zu tun war, da sah er den alten Mann. Er kam aus dem Garten gelaufen, so schnell ihn seine steifen Beine trugen. Er sah nicht nach rechts oder links, nun schien es ihm gleichgültig zu sein, ob er gesehen wurde. Er lief zu einem Motorrad, das vor einem Nachbarhaus stand, wo es dunkel und das alte Ding kaum zu sehen war, ließ den Helm am Lenker hängen, schwang sich mit erstaunlicher Behändigkeit auf den Sattel und ließ den Motor losknattern. Berno lief ihm bis zur Straßenecke nach, dann konnte er sehen, dass das Motorrad bereits drauf und dran war, den dunklen Golf einzuholen.
Schwer atmend stand er da und starrte auf den Punkt, wo beide verschwunden waren, der Golf und das Motorrad. Was ging hier vor? Wer war dieser Mann? Ein Kollege von der Konkurrenz? Nein, dazu war er zu alt, mindestens siebzig! Oder ein frei arbeitender Journalist? Berno litt unter einem Gefühl, das ihn noch nie gequält hatte: Er hatte beruflich versagt! Wenn sogar eine Niete wie Alex Traum ihm zuvorkam und ein rund Siebzigjähriger schneller war als er, dann würde Röder bald einen Grund finden, um ihn abzuservieren.
Berno drehte sich um und ging mit hängendem Kopf zurück. Was war das, was da hinter seiner Stirn rumorte? Ärger, Enttäuschung, Wut? Oder kündigte sich so etwa ein Schlaganfall an? Wie gut wäre es, jetzt Emily neben sich zu haben, die ihn lachend einen Hypochonder nennen und ihm so jegliche Angst nehmen würde, die er um seine Gesundheit hatte. Sie hatte nie an die Möglichkeit gedacht, krank zu werden, während er sich ständig um sein Wohlergehen sorgte.
Tief durchatmen!, sagte er sich. Vielleicht war es ja doch nichts anderes als ein besonders böses Stress-Symptom. Dann halfen ein paar Yoga-Übungen, die er nach der Trennung von Emily gelernt hatte, weil ihm ein Kollege erzählt hatte, dass er mit Yoga sogar darüber hinweggekommen war, dass seine Freundin ihn nicht nur verlassen, sondern seine gesamte Einrichtung, seine Barschaft und sogar seine Briefmarkensammlung mitgenommen hatte. Ob er auf der wippenden Matratze seines Bettes zur inneren Ruhe kommen und seine Mitte finden konnte, wusste er zwar nicht, aber die Aussicht auf den Sonnengruß und seine befreiende Wirkung taten ihm jetzt bereits gut.
Als er in seinem Zimmer angekommen war, sah er, dass auf seinem Handy ein Anruf eingegangen war. Von Piet Röder! Wollte er ihm sagen, dass Alex Traum ganze Arbeit geleistet und Emily Funke überredet hatte, mit der Close Up einen Exklusiv-Vertrag abzuschließen? Und dass sein bisher bester Mann ihn schwer enttäuscht hatte?
Berno nahm das Handy und warf es aufs Bett, ohne die Mailbox abzuhören. Es verschwand in den Kissenbergen, die Frau Tornsen auf seinem Bett aufgetürmt hatte. Das Zirpen, das eine Mailboxnachricht ankündigte, war kaum zu hören.
8.
S ag mir sofort, wo du bist!«
Diese Forderung hatte Babette, als ich aus Keitum herausgefahren war, mindestens ein Dutzend Mal an mich gerichtet. Von Mal zu Mal schärfer und herrischer. Während ich die Keitumer Landstraße befuhr und den Flugplatz rechts liegen ließ, behauptete sie sogar: »Als deine Agentin habe ich ein Recht darauf zu erfahren, wo du bist!«
Mir reichte es nun. »Ja, du bist meine Agentin
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