Deine Stimme in meinem Kopf - Roman
er mit Pearls Mäntelchen gemacht hat.
»Ich brauche
großen
Abstand.«
Da schießt mir ein Gedanke durch den Kopf. »Wolltest du mich zu Pearl überreden, weil du dachtest, du könntest nicht mehr weggehen, wenn ich ein Baby hätte? Wolltest du deshalb, dass ich schwanger werde?«
»Vielleicht. Könnte sein.« Er kann mich nicht anschauen, weil er inzwischen Rotz und Wasser heult.
»Iss die Ceviche.«
»Was?«
»Iss die verdammte Ceviche, die ich dir machen sollte!«
Ich stelle mir vor, wenn er als alter Mann an sein Leben zurückdenkt, an die Trennungsszenen, die wie Bücher auf dem Boden seiner Bücherei herumliegen, als wären sie aus den Regalen gefallen, wird der Satz »Iss die verdammte Ceviche« ein Buch sein, von dem er glaubt, es falsch gelesen zu haben. Aber genau das habe ich gesagt.
Er schnieft, wischt sich übers Gesicht und ringt sich ein schiefes Lächeln ab. »Okay, aber nur, wenn du mitisst.«
Wir essen direkt aus der Schüssel. »Das gesündeste Essen, das ich in den letzten Monaten zu mir genommen habe.«
»Genau so muss Liebe sein: wie das, was wir haben«, sagt er, während er mein liebevoll zubereitetes Abendessen hinunterschlingt. »Das wird für uns beide der Maßstab sein, wenn wir das nächste Mal mit jemandem zusammen sind.«
Wie verrückt das ist, völlig verrückt! Wir sind doch zusammen! Man geht nicht vom Weg ab, um den Weg zu finden. Und er sagt, das sollten wir anstreben. Ich kapiere rein gar nichts.
Ich schließe mich im Badezimmer ein und rufe durch die geschlossene Tür: »Du kannst jetzt gehen!«
»Em, lass mich rein! Emma!«
»Mir geht’s gut. Bitte geh jetzt!«
»Hast du dich geritzt?«
»Nein.«
»Wirst du es tun?«
»Ich glaube nicht.«
»Versprich es mir!«
»Kann ich nicht.«
Hier ins Badezimmer sperre ich auch meine Katzen ein, wenn sie ungezogen waren. Ich rolle mich auf ihrer Matte zusammen. Von meinem Beobachtungsposten auf der Böse-Katze-Matte kann ich durchs Badezimmerfenster sehen, wie GH die Haustür und dann die Gartentür hinter sich zumacht. Ich höre, wie er den Motor anlässt (er sitzt noch einige Augenblicke lang da) und dann wegfährt. Ich warte weiter auf der Matte, wie jemand, der nicht weiß, ob der Angreifer wirklich fort ist.
Als ich seine Schritte auf meinen Holzstufen hörte, habe ich mein Phlegma abgeschüttelt und mit lauter Stimme gerufen: »Nimm den Käsekuchen mit!«
»Okay.«
»Und den Selbstmordbrief.«
Er zögert kurz und sagt dann: »Okay.«
29. Kapitel
4. März 2000
Mummy,
Daddy,
Lisa,
bitte verzeiht mir.
Ich hatte ein schönes Leben mit euch.
Ich, aus Lehm gemacht, lege mich nieder und will schlafen.
Ich werde euch immer lieben.
Ich werde euch immer beschützen.
30. Kapitel
Ich bräuchte Dr. R mehr als je zuvor, doch stattdessen muss ich zusehen, dass ich ganz allein mit dieser Trennung fertigwerde, wie normale Menschen eben. Nur dass ich nicht normal bin, GH auch nicht, und dass das Ganze keine normale Situation ist. GH und ich sind bei ihm zu Hause und sehen uns
Harold und Maude
an, danach
Mondsüchtig
und schließlich
Cleopatra
. Ich betrachte Liz, ich betrachte Burton. Haben Sie beim Schokoladeessen je das Gefühl gehabt, dass Sie sie erst richtig schmecken, wenn Sie den letzten Bissen im Mund haben? So ähnlich verhält es sich mit diesem Wochenende. Er sieht
Cleopatra
und sagt: »Das Set-up hat ewig gedauert und ist es nicht wert. Siehst du die Szene mit den Vögeln? Hat sicher drei Tage gekostet!«
Er dreht für eine Woche in Santa Fe, und ich rechne fest damit, dass er mit Indianerschmuck zurückkommt und mit einer Entschuldigung. Stattdessen: »Schau, hab ich dir mitgebracht!«
Bestandsaufnahme – Inhalt der Geschenktüte:
2 x Salz- und Pfefferstreuer mit »Bezaubernde Jeannie« im Retro-Stil
1 x Becher mit dem Aufdruck: »Dads! Weigern sich seit 1932, nach dem Weg zu fragen!«
1 x witziger Kühlschrankmagnet mit George Bush
Ich betrachte die Sachen. Alles ohne Kontext. Die große Liebe meines Lebens hat eine Tüte mit nutzlosem Krimskrams angeschleppt.
Wenig später entdecke ich eine Mail auf meiner Website, die ich bisher ignoriert habe (tue ich nicht oft), weil die Absenderin schreibt, sie hätte ein Porträt von GH gezeichnet. Ich habe die Nachricht nicht zu Ende gelesen. Doch sie schickt sie mir erneut und diesmal lese ich sie. GH sähe ihrem kleinen Bruder sehr ähnlich, schreibt sie. Erst als ihr Bruder an einer Überdosis Heroin starb, habe sie angefangen, sich für GH zu
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