Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Deine Stimme in meinem Kopf - Roman

Titel: Deine Stimme in meinem Kopf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deuticke
Vom Netzwerk:
Freundin.
    Suchtkranke brauchen beste Freunde, gesunde Menschen brauchen gesunde Beziehungen.
    Ich hoffe, meine persönlichen Erfahrungen ermöglichen eine gewisse Einsicht in mein Suchtverhalten. Ich stelle mir gerade vor, wie sich Dr. R in seinem Drehstuhl zurücklehnt, von dem Notizblock auf seinem Schoß aufblickt (ich habe mich immer gefragt, was diese kleinen Häkchen bedeuten, die er machte) und mit wissendem, aber besorgtem Blick vorschlägt, zu einer
AL
-
ANON
-Familiengruppe zu gehen, um die Erfahrungen anderer Leute zu hören, die ebenfalls eine Beziehung mit Suchtkranken hatten.
    Mike

31. Kapitel
    Plötzlich packt mich eine unerträgliche Angst vor mir selbst.
    Mein Achselgeruch.
    Der Geruch von mir selbst an den Fingerspitzen, nach dem Masturbieren.
    Der Duft meiner Haare auf dem Kissen.
    Dein Lover sagt: »So bist du und so bist du auch«, und dann kicherst du und sagst: »Ich weiß nicht, was du meinst!« Und erst wenn die Männer weg sind, begreifst du, was sie gemeint haben. Aber dann ist keiner mehr da, mit dem du es teilen kannst.
    Es ist nur Liebeskummer, keine Tragödie. Eine Tragödie ist es, wenn man den Vater seiner Kinder an den Krebs verliert. Damit ringe ich am meisten. Es gibt einunddreißig Aromen von Schmerzen, so viele wie Eiscremesorten in den verdammten Baskin-Robbins-Filialen. Darf ich überhaupt leiden unter einer Trennung? Wo Dr. Rs Frau und seine Kinder diesen schweren Verlust erlitten haben?
    Weil ich bei der Sabbat-Feier losheule, werde ich ins Büro des Rabbis gerufen. Ich erzähle ihm meine Geschichte und sage, dass ich mich schäme, so sehr darunter zu leiden, und das so kurz nach Dr. Rs Tod.
    Rabbi Wolpe schüttelt den Kopf. »Die Liebe ist eine sehr ernste Sache. Ich halte sie nicht für unbedeutend.«
    Es ist ein frostiger Herbst in Manhattan, und es fällt mir schwer, nach New York zurückzukehren und vor allem die Leute von der Upper East Side zu treffen. Innerhalb eines Radius von fünfzehn Blocks gibt es zwei Räume, in denen ich mir unter die Haut blicken ließ. Niemand hat es je erfahren. In dem einen Raum habe ich mit einem Mann mit zu hoch sitzendem Gürtel geredet und geredet. In dem anderen fast kein Wort, es gab nur einen dürren Mann, mit blauen Flecken übersät, der eine Frau mit Kurven und verblassenden Narben küsste.
    Ich bin in New York, um mich mit Barbara, Dr. Rs Witwe, zu einem Lunch zu treffen. Und zwar im Sarabeth’s, gleich um die Ecke von seiner Praxis. Sie ist blond, sehr attraktiv und blitzgescheit. Passend zu ihrem sonnenblonden Haar esse ich nur gelbe Gerichte. Zuerst ein Omelett, danach Lemon-Ricotta-Pancakes von ihrem Teller. Wenn ich esse und esse, so hoffe ich, breche ich nicht vor ihr in Tränen aus. Und wenn ich nicht weine, kann ich mich beherrschen und frage nicht: »Was ist passiert? Warum hat er mich nicht vorgewarnt?«
    Sie lächelt, als ich mich über ihren Teller hermache.
    »Wir waren siebenundzwanzig Jahre zusammen.
Carpe diem
war unser Motto. Er war ein Mensch, der von ganzem Herzen ans Leben glaubte, und das taten wir immer, auch nach der Diagnose.«
    Sie schiebt die Reste auf ihrem Teller hin und her, als müsste sie sie nur richtig anordnen, um die geeigneten Worte zu finden, um mich zu trösten. Trotz ihres eigenen Kummers denkt sie an seine Patienten.
    »Egal, wie verworren ihre Situation auch war, er schaffte es, dass seine Patienten wieder Zutrauen fassten. Er war so ein positiver Mensch! Als er seine Diagnose erfuhr, sagte er: ›Das Leben kann hart sein, aber wir schaffen es schon! Wir bringen die Chemo hinter uns und machen einfach weiter.‹ Es kam ihm und somit auch uns nie in den Sinn, dass er diesen Kampf nicht gewinnen würde. Deshalb war sein Tod so ein gewaltiger Schock.«
    Sie greift in ihre Handtasche und legt einen Stapel Bücher auf den Tisch. »Die sind für Sie gekommen.« Ich schaue sie mir an. Sie sind an mich, Dr. R und GH adressiert. Zwischen den Seiten stecken Bilder, aus Illustrierten ausgeschnitten, auf denen ich mit GH zu sehen bin.
    »Wissen Sie, was das soll?«, fragt sie.
    »Ach, nur ein verrückter Fan.«
    »Ich verstehe nicht ...«
    »Ich war mit diesem Filmstar zusammen ...« Ich verstumme, weil ich das Gefühl habe, eine Subkultur am Rand der Gesellschaft zu beschreiben. Transsexuelle, Furries, Schauspieler.
    Zum Abschied umarmen wir uns.
    Als ich mit meinen Stalker-Büchern mit dem 6er nach Hause fahre, denke ich, dass es doch irgendwie komisch ist, dass Dr. R und GH endlich

Weitere Kostenlose Bücher