Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Sonnenblumen. Weinrote Dahlien, orange Lampionblumen, dazwischen pinkfarbene Rosen. Alle Farben des Herbsts. Wie schön! Sie roch an den Blüten, arrangierte den Strauß in einer Vase und setzte sich mit der Karte aufs Sofa.
Liebe Clara,
jetzt habe ich weiß Gott lange genug über dem Text für diese verflixte Karte gebrütet. Wie kann ich dir sagen, dass es ein wunderbarer Abend war? Obwohl er es war. Was deiner Schwester und deinem Vater widerfahren ist, während wir aßen und lachten, uns unterhielten und immer neugieriger aufeinander wurden, lässt sich davon nicht trennen. Alles ist miteinander verwoben. Liebe und Gewalt. Glück und Trauer. Anfang und Ende. Wobei ich hoffe, dass wir noch am Anfang stehen und du nicht denkst, ich hätte mich davongemacht. Ich bin ganz nah, wenn du willst.
Thore
Sie ließ die Karte sinken. Er hatte sich nicht gemeldet, weil er nach den richtigen Worten suchte. War das typisch für ihn, dieses Ringen um Worte? Wobei sie zugeben musste, dass er sie gefunden hatte. Sowohl Leichtigkeit als auch Trauer schwangen mit. Er hatte recht, alles war verwoben und ließ sich nicht unabhängig voneinander betrachten. Und eigentlich hätte auch sie sich bei ihm melden können.
War es mehr als nur ein prickelnder Flirt? Sie wusste nicht, was sie sich erhoffte. Was sollte sie ihm antworten? Lassen wir es einfach auf uns zukommen.
Der Strauß war wunderschön. Sie stellte die Vase auf den Couchtisch und entschied sich, Thore nicht heute zu antworten. Auch sie durfte sich Zeit lassen, die richtigen Worte zu finden. Doch dafür musste sie erst einmal ihre Gefühle sondieren.
Die Post lag noch immer auf dem Tisch. Sie sah sie durch. Hauptsächlich Werbung. Zwei Rechnungen. Eine davon für ein Zeitschriftenabo von Paps und ein Brief aus England von Smile, der ebenfalls an ihn adressiert war. Seit dem Mord warf der Postbote kurzerhand Vaters Post bei ihr ein. Sie öffnete das Schreiben aus England und überflog es. Ihr Englisch war ausreichend, um zu verstehen, dass Paps seit einem halben Jahr seine Kontoauszüge nicht abgefragt hatte, deshalb sandte man sie ihm nun kostenpflichtig zu. Die Gebühr von zwei Pfund war bereits abgebucht.
Sie legte den Brief beiseite und sah sich den Auszug an. Es war nur ein Blatt. Für den zwölften Mai waren die beiden Gutschriften verbucht. Einen Tag später gab es eine Überweisung in beinahe derselben Höhe. Lediglich hundert Pfund waren noch auf dem Konto. Als Verwendungszweck war »Schenkung« angegeben. Das Geld war auf ein Konto in Deutschland gegangen. Es gehörte Achim.
66
Kirstens Handy klingelte, die Nummer sagte ihr nichts. »Tessmann, Kripo München.«
»Brettschneider. Sie waren neulich bei mir, wegen meines Vaters.«
»Richtig.« Die kühlste Reaktion auf eine Todesnachricht, die sie je erlebt hatte.
»Es geht um die Uhren. Ich habe mit einem Freund meines Vaters gesprochen. Er ist Juwelier und meint, sie wären ein Vermögen wert. Allein die Patek Phillip von 1889 mindestens zwölftausend. Die Versicherung will nicht zahlen. Es sei nicht erwiesen, dass mein Vater die Uhren noch besaß. Ich hoffe, Sie finden sie.«
Kirsten glaubte es nicht. »Deswegen rufen Sie an?«
»Momentan habe ich erhebliche Ausgaben. Wissen Sie, was ein Sarg kostet? Außerdem ist mir noch etwas eingefallen. Dieser Artikel über den Doppelmord in der Sedanstraße … «
Kirsten wurde hellhörig. »Ja, was ist damit?«
»Der Name Kubisch kam mir bekannt vor. Heute ist mir eingefallen, warum. Mein Vater hatte mal einen Schüler, der Kubisch hieß. Das ist wirklich ewig her. Ich werde fünfzehn gewesen sein oder sechzehn. Damals hat mein Vater am Alexander-Schmorell-Gymnasium die Oberstufe unterrichtet, und dieser Kubisch machte Ärger. Mein Vater hat ihn beim Spicken erwischt und der Hausmeister bei einem Einbruch ins Lehrerzimmer. Ich glaube, er wollte die Angabenblätter einer Schulaufgabe klauen. Ich hätte die Geschichte vermutlich längst vergessen. Spicken war ja keine Seltenheit, und es gab immer wieder Schüler, die versuchten, an die Aufgabenblätter zu gelangen. Mein Vater hat häufig beim Abendessen Begebenheiten dieser Art erzählt.«
»Kubisch ist Ihnen also aus einem anderen Grund in Erinnerung geblieben?«
»Nach dem Einbruch flog er von der Schule. Ein Strafverfahren wurde eingeleitet. Was daraus wurde, weiß ich nicht. Vermutlich ein paar Stunden Sozialarbeit. Aber das Abitur konnte er vergessen, und daran war mein Vater schuld. Jedenfalls sah Kubisch
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