Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
Schildchen am Revers wies ihn als Benjamin Meyer aus. Dühnfort legte den Beschluss vor und sagte, dass er an die Schließfächer von Achim und Ernst Kubisch wollte.
»Achim hat auch eines?«, fragte Clara Lenz.
»Seit Mai.«
Meyer führte sie über eine Treppe hinunter in den Raum mit den Schließfächern und wandte sich zum Gehen. »Lassen Sie die Kunden immer allein?«, fragte Dühnfort.
»Ja, natürlich.«
»Wenn ich also einen Schlüssel für ein weiteres Schließfach bei mir hätte, könnte ich es einfach öffnen, ohne eine Vollmacht dafür zu haben?«
»Äh … theoretisch … Ja, das müsste gehen. Aber Sie haben ja den Beschluss für beide Fächer.« Erleichtert trollte Meyer sich nach oben.
»Dann sehen wir mal nach.« Dühnfort öffnete die Schließfächer und nahm die Kassetten heraus. Beide enthielten Krügerrandmünzen.
Clara Lenz setzte sich. Es sah aus, als ob ihre Beine einfach nachgaben. »In der Kassette meines Vaters waren viel mehr. Das sehe ich auf den ersten Blick.«
Sie zählten nach. Insgesamt waren es zweihundertachtzig Münzen. Zweihundert in Achims Kassette, achtzig in der des Vaters.
Achim hatte seinen toten Vater bestohlen. Vermutlich in der Absicht, diesen Diebstahl Clara unterzuschieben. Denn sie war offiziell die Letzte, die am Schließfach gewesen war.
»Ihr Bruder hatte es auf diese Münzen abgesehen. Von Anfang an. Seit er wusste, dass Ihr Vater sie für seine Pflegekosten braucht.«
Clara schüttelte den Kopf. »Vermutlich schon vorher.«
»Wie meinen Sie das?«
Sie sah hoch. »Ein paar Tage, bevor ich mit Achim darüber gesprochen habe, dass ich für Paps eine Rund-um-die-Uhr-Pflege organisieren muss, wurde bei mir eingebrochen. Jemand hat alle Schubladen und Schränke durchsucht, doch es wurde nichts gestohlen. Natürlich habe ich mich gefragt, wonach der Einbrecher gesucht hat. Es war mir ein Rätsel. Aber so macht das Sinn.« Sie wies auf den Schlüssel in Dühnforts Hand. »Ich hatte ihn bei mir, am Schlüsselbund. Das wusste er nicht.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Dieses Scheißgeld. Besser, Paps hätte die Erbschaft nie gemacht und sie nicht auch noch vermehrt. Dann hätte es nichts zu holen gegeben, dann wäre all das nicht passiert.«
85
Samstagmorgen war es ruhig in der WG . Kirsten setzte sich an den gedeckten Frühstückstisch und schenkte sich Kaffee ein. Dorothee war schon auf gewesen. Ihr Mann Bodo hatte offenbar Frühschicht, denn dann machte sie immer Frühstück für ihn, und wenn sie schon dabei war, gleich für alle.
Das bevorstehende Gespräch lag Kirsten wie ein Stein im Magen. Sie konnte Kathi die Bilder nicht zeigen. Doch aus dieser Nummer kam sie nicht mehr raus. Um das zu verhindern, hätte sie sofort widersprechen müssen, als Tino Kathi Akteneinsicht zugesichert hatte, wann immer sie wollte. Gestern hatte Kathi entschieden, dass sie wollte. Heute.
Sie kam aus dem Bad. Wieder biss Kirsten sich auf die Lippen, um den neuen Look nicht zu kommentieren. Die Pinkification ihrer Tochter hatte ein jähes Ende gefunden. Die blonden Locken waren von Kathis neuer bester Freundin Hedwig mit viel Aufwand in ein struppiges Gewirr von Dreadlocks verwandelt worden. Weil dazu der Brave-Mädchen-Look nicht passte, hatte Kathi ihre neue Jeans mit der Schere bearbeitet. Zahlreiche Risse über dem Knie und knapp unterhalb der Pobacken waren das Ergebnis. Sie würde sich bei diesem Wetter eine Blasenentzündung holen, das war Kirstens einzige Sorge. Ihr gefiel dieser Rebellenlook, doch einen Teufel würde sie tun und das sagen. Kathi wollte schließlich provozieren und nicht gefallen.
»Hi Kirsten.« Sie setzte sich.
Okay, die Zeit, in der ihre Tochter sie Mama genannt hatte, war offenbar vorbei.
»Hast du die Akten dabei, oder müssen wir in dein Büro fahren?«
»Ich habe sie hier. In meinem Zimmer. Aber erst wird gefrühstückt.«
»Besser nicht. Könnte ja sein, dass ich kotzen muss.«
»Du kannst alles lesen. Aber die Bilder von der Leiche deines Vaters werde ich dir nicht zeigen.« Kirsten formulierte das bewusst so brutal. Wenn man solche Aufnahmen zum ersten Mal sah, war das schon schrecklich genug. Das verkrafteten selbst viele Erwachsene nicht. Niemand sollte derartige Fotos von einem geliebten Menschen sehen, und schon gar nicht, wenn man erst dreizehn war.
»Ich darf alles sehen, hat dein Chef gesagt.«
Vermutlich würde es Kathi schon reichen, wenn sie las, was passiert war. »Gut. Aber erst der schriftliche Teil. Wenn
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