Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
veröffentlicht wurde. Sie sagten, der Mord wurde so inszeniert, dass er erkannt werden musste.«
Dühnfort nickte.
»Das ist wirklich ungewöhnlich.« Mit einem Finger fuhr sie sich über den Nasenrücken. »Gehen wir mal davon aus, er ist es. Was will er erreichen? Er will aufrütteln und greift zum drastischsten aller Mittel, zu Mord. Ein Opfer im Namen der guten Sache. Doch in den Medien wird seine Tat kaum beachtet. Sein Ruf verhallt ungehört. Man hat ihn nicht verstanden. Er will Schlagzeilen, doch niemand nimmt Notiz. Es würde mich nicht wundern, wenn er diese Mail auch an die Medien geschickt hat.«
Dühnfort stöhnte bei dieser Vorstellung. »Wir müssen ihn also ernst nehmen?«
Beatrice Mével zog die Schultern hoch und breitete die Hände aus. »Schwer zu sagen. Es sind nur ein paar Zeilen und ein paar Links. Doch sie erwecken den Eindruck, als ob sich jemand zum Anwalt hilfloser, alleingelassener und häufig ihrer Würde und Selbstbestimmung beraubter Menschen gemacht hat. Da hat jemand eine Mission. Aber ob er auch der Mörder ist … « Sie zog die Schultern hoch und ließ sie wieder fallen.
»Setzen wir voraus, er ist unser Mann. Weshalb tötet er eine alte Frau? Sie gehört doch zu der Gruppe, die er beschützen will«, sagte Dühnfort.
»Vielleicht glaubt er, zu radikalen Methoden greifen zu müssen. Zur Erreichung eines höheren Ziels sind Opfer nötig.«
»Logischer wäre es, sie unter denen zu suchen, die er als Verursacher des Übels ansieht.«
»Sie können nicht ausschließen, dass doch der Erlösungsgedanke im Vordergrund steht. Nach welcher verqueren Logik auch immer. Oder vielleicht ist es auch viel profaner. Die Verursacher des Missstands sind nicht hilflos und schwach. Sie können sich wehren. Vielleicht hat er Angst, mit ihnen nicht fertigzuwerden. Oder das alles ist nur vorgeschoben, um seine Mordlust zu bemänteln. Wurde sie misshandelt oder missbraucht?«
»Nein. Auch nicht beraubt. Emily Dreher war nicht schwerkrank. Sie musste nicht erlöst werden. Womit haben wir es hier zu tun?«
Beatrice Mével seufzte. »Herr Dühnfort, Sie legen mir ein paar Zeilen vor und erwarten eine umfassende Analyse innerhalb von ein paar Minuten. Das funktioniert nicht. Was ich sagen kann: Wenn dieser Mann der Täter ist, dann ist anzunehmen, dass er es vorher anders versucht hat. Suchen Sie nach jemandem, der Beschwerde- und Leserbriefe schreibt, der Eingaben bei den Aufsichtsbehörden macht und Anzeigen bei der Polizei. Suchen Sie nach einem Querulanten, der mit zulässigen Mitteln gescheitert ist und nun andere Wege geht.« Sie warf einen Blick auf ihr Handy, das auf dem Schreibtisch lag, und erhob sich. »Mein Termin. Ich muss mich auf den Weg machen.«
Ein Querulant, ein Missionar, einer, der sich auf der Seite des Guten sah und dem dafür jedes Mittel recht war. Ein beunruhigender Gedanke stieg in Dühnfort auf. »Ist mit weiteren Taten zu rechnen?«
»Das aus dieser Mail herauszulesen wäre wirklich Kaffeesatzleserei.«
26
Dühnfort rief Kirsten, Alois und ihren IT -Spezialisten Meo in den Besprechungsraum und präsentierte die Mail sowie die Einschätzung von Beatrice Mével.
»Ich finde es zu riskant, diese Nachricht unbeachtet zu lassen. Immerhin kennt er Emilys Namen, der nirgendwo stand.«
Alois sah auf. »Den kann er aufgeschnappt haben. Die Leute im Haus und in der Nachbarschaft sprechen über den Mord.«
Dühnfort war es allerdings auch zu heikel, sich auf den Samariter festzulegen. »Wir werden jetzt zweigleisig fahren. Wir sondieren das persönliche Umfeld und versuchen den Samariter aufzustöbern. Vermutlich ging es ihm nicht um Emily. Es hätte auch jemand anderen treffen können. Hauptsache, alt und gebrechlich. Er will auf eine Misere aufmerksam machen.«
»Verstehe ich nicht«, sagte Kirsten. »Das ist unlogisch. Wenn er sich als Robin Hood der Alten und Hilflosen sieht, dann wäre es folgerichtig, ein Opfer auszuwählen, das aus seiner Sicht zu den Schuldigen zählt. Einen Pflegedienstleiter, eine Altenpflegerin oder Behördenmitarbeiter. Einen Politiker.«
Genau sein Einwand. »Das passt vielleicht nicht in sein verdrehtes Weltbild. Er sieht sich als barmherzigen Samariter und nicht als eiskalten Killer.«
»Und deshalb erlöst er eine alte Frau von ihren Leiden, bevor sie in einem Pflegeheim verrottet oder daheim allein und unbemerkt stirbt? Das macht keinen Sinn. Emily sollte weder in ein Heim, noch war sie allein. Ihre Tochter hat sich rührend um sie
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