Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
deren Tod wochenlang unbemerkt geblieben ist. Davon hat sie nichts gesagt? Der Samariter will das Thema in der Öffentlichkeit sehen.«
»Sie wollte nur wissen, ob wir mit weiteren Morden rechnen und wie kompetent du wohl bist, wenn es noch keine heiße Spur gibt.«
Verdammter Mist! Er brauchte nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie die nächste Headline lauten würde.
27
Vom Büro aus rief er in der Pressestelle an. Außer Melissa Wittock hatte niemand nachgefragt. Kaum vorstellbar, dass der Samariter seine Mail nur an eine Zeitung geschickt hatte. Die schwache Resonanz der Presse beunruhigte Dühnfort. Hoffentlich kam da noch mehr.
Der nächste Anruf galt Elisabeth Dreher. Er fragte, ob sie Zeit für ihn hätte.
»Gibt es Neuigkeiten?«
»Leider noch nichts Konkretes. Ich habe ein paar Fragen. Kann ich kommen?«
»Ja, natürlich. Ich bin zu Hause und warte auf Sie.«
Als er vors Präsidium trat, bemerkte er Melissa Wittock, die auf den Eingang zusteuerte. Sie war eine pummelige Frau mit einem sicheren Händchen dafür, sich unmöglich zu kleiden. Heute steckte sie in einer weiten pinkfarbenen Hose, über der sie ein schwarz-weiß geringeltes Kleid in Ballonform und eine zipfelige Jacke trug, deren Rot sich mit dem Brombeerrot ihrer Haare biss. Ihr Gesicht war unter reichlich Make-up verborgen. Ausweichen war nicht mehr möglich. Sie hatte ihn schon entdeckt.
»Hallo, Herr Dühnfort. Haben Sie eine Minute für mich?«
Sein Adrenalinspiegel stieg. So viel Unverfrorenheit musste man erst einmal besitzen. Erst bewarf sie ihn mit Dreck, und jetzt, wo sie sich Informationen von ihm erhoffte, bleckte sie lächelnd ihre weißen Zähne, an denen Lippenstift haftete. Brombeerrot. »Keine Angst vorm Prügelbullen?«
»In meinem Beruf darf man nicht feig sein. Und Sie sind doch nicht nachtragend. Oder etwa doch?« Ihr Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln, das so falsch war wie ihre Haarfarbe.
»Ich äußere mich nicht zu laufenden Ermittlungen.« Er ging weiter. Sie folgte ihm.
»Was ist von dem Samariter zu halten? Wird es weitere Morde geben?«
»Offenbar haben Sie nicht zugehört.«
»Also bestätigen Sie, dass Emilie Derler Opfer eines Serienmörders ist?«
»Dreher. Emily Dreher.« Seine Kiefer mahlten. So langsam verstand er den Samariter. Die Alten galten nichts. Nicht mal ihren Namen musste man sich merken. »Denken Sie einfach mal über die Bedeutung des Begriffs Serie nach, dann können Sie sich die Antwort selbst geben.« Er erreichte sein Auto und knallte die Tür zu. Als er vom Hof fuhr, sah er, dass sie mit ihrem Handy ein Foto von ihm machte. Er biss die Zähne aufeinander, bis sie knirschten.
Während der Fahrt nach Schwabing schaltete er das Radio ein. Irgendwie musste er von seinem Zorn herunterkommen. Am besten half Musik. Es gab Nachrichten und den Wetterbericht. Die Föhnwetterlage würde zurückkehren und München Ende Oktober ein weiteres Sommerwochenende bescheren. Vielleicht sollte er mit Gina an den See fahren, zu seinem Boot. Eine letzte Runde auf dem Starnberger See, bevor sie die Sissi ins Winterquartier brachten. Danach ein Glas Wein mit dem Schorsch, der die Segelschule betrieb, während sie auf der morschen Bank saßen, vor der Feuerschale, und ihre Blicke über den See schweifen ließen, zum anderen Ufer, und Abstand fanden zu ihrer Arbeit.
Und dann fiel ihm ein, dass übernächstes Wochenende seine Mutter und Georges für ein paar Wochen aus dem Elsass nach München zogen. Eine Wohnung im Glockenbachviertel hatten sie bereits von Freunden gemietet, die für einige Monate in New York waren. Dühnfort war erleichtert, dass er sich um nichts kümmern musste. Die beiden waren Anfang siebzig und rüstig. Sie kamen alleine zurecht. Noch. Plötzlich war die Frage da, was er tun würde, falls sich das ändern sollte und seine Mutter irgendwann auf Hilfe angewiesen wäre. Oder sein Vater, der in Hamburg lebte. Würde Georges das schaffen? Und in Hamburg sein Bruder Julius? Was, wenn er selbst sich plötzlich um die Pflege kümmern musste? Wie sollte er das bewältigen? Weder seine Mutter noch sein Vater würden je in ein Altenheim ziehen. Allein die Vorstellung war grotesk.
Er drehte die Musik lauter. Müßig, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Alles war möglich, nichts vorhersehbar. Er musste das auf sich zukommen lassen und darauf vertrauen, dass er das Richtige tat, wenn es so weit war.
Als Dühnfort an der Wohnung von Elisabeth Dreher klingelte, sammelte
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