Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
nicht verbittert. Nur einsam. Ja. Das war sie. Zu viel allein. Nach der Trennung hatte sie sich zurückgezogen, abgeschottet, die wenigen Freunde vergrault. Das war eine bittere Erkenntnis. Doch das ließ sich ändern. Vielleicht konnte sie Charlotte anrufen und sich mit ihr zum Essen oder ins Kino verabreden. Wenn sie jemals so etwas Ähnliches wie eine beste Freundin gehabt hatte, dann Charlie, mit der sie studiert hatte.
Nach fünfzehn Minuten Marsch durch die Grünanlage erreichte Clara das Rondell am Friedensengel und ging nach Hause. Das Geschirr stand noch auf dem Tisch, die Zeitung, die Hannes mitgebracht hatte, lag daneben. Offenbar hatte er in der Tram darin gelesen. Der Innenteil war nach außen umgeschlagen. Claras Blick blieb an einer Überschrift hängen. Münchner Seniorin tot aufgefunden. Es war Mord. Sie überflog den kurzen Artikel. Emily D. hatte ihren Mörder offenbar selbst eingelassen. Sie war erstickt worden. Clara erschauerte bei dieser Vorstellung, faltete die Zeitung zusammen und legte sie in die Altpapierkiste.
Der Spaziergang hatte gutgetan. Bis um drei arbeitete sie und sah dann nach Paps und Krystyna. Sie fand die beiden in der Küche. Paps spülte Geschirr, Krystyna trocknete es ab. »Hallo Clara. Kommst du gerade richtig. Haben wir gebacken Kuchen, deine Paps und ich.«
»Mit selbst gepflückten Äpfeln«, sagte er und trocknete sich die Hände am Geschirrtuch ab.
Clara gab ihm einen Kuss auf die stoppelige Wange. »Wo habt ihr denn Äpfel gepflückt?«
»Nix gepflückt. Selbst gekauft. Auf Markt. Haben wir gemacht Spaziergang und Einkauf. Zwei Fliegen mit einer Klatsche.« Krystyna schob den Kuchen auf die Tortenplatte. »Muss ich noch prügeln Schlagsahne und dann fertig.«
»Und ich mache Kaffee.« Paps holte das Sieb aus dem Schrank und stellte es auf den Herd. »Was wollte ich?«
»Kaffee kochen. Ich helfe dir.« Clara reichte ihm die Dose mit Kaffeepulver. Wenig später breitete sich der Duft nach frischem Kaffee aus. Zu dritt machten sie sich über den Kuchen her.
Es war schön zu sehen, wie gut Krystyna und Paps miteinander zurechtkamen. Inzwischen hatten sie ihren Rhythmus gefunden.
»Magst du noch Kuchen?« Das Stück landete bereits auf dem Teller, die Antwort erübrigte sich. Krystyna fragte wegen der beiden freien Nachmittage nach, die ihr pro Woche zustanden. Es gab einen Stammtisch polnischer Pflegerinnen in München, den sie besuchen wollte. »Treffen wir uns immer samstags in Café von Kaufhaus.« Clara war das recht. Den zweiten Termin wollten sie flexibel handhaben. Paps schob den Stuhl zurück. »Ich muss jetzt ins Reisebüro, sonst sind die Prospekte für die Kreuzfahrten vergriffen. Das wird Elli nicht gefallen.«
»Ja, dann wir gehen flugs und holen«, meinte Krystyna und machte sich mit Paps zu einem Spaziergang auf.
Clara kehrte in ihre Werkstatt zurück. Mit ihrem Vater lief alles bestens, nur bei ihr lief alles schief. Sie war nicht verbittert oder neidisch.
Das Telefon klingelte. Es war Achim. Sie hatte ihn am Morgen angerufen, um zu erfahren, was sich mit dem Online-Konto tat. Wenn das Geld nicht bald zurück war, musste sie ein paar Münzen verkaufen. Vermutlich brauchte sie dafür eine Genehmigung des Amtsgerichts. Es würde also nicht so schnell gehen.
Achim erkundigte sich nach Paps. Clara erzählte, wie gut Krystyna und er miteinander klarkamen. »Er blüht richtig auf. Heute haben sie Kuchen gebacken. Und er spült sogar Geschirr.«
»Das hört sich ja wunderbar an. Viel besser als ein Heim. Du hast das schon richtig gemacht.«
Dieses unerwartete Lob freute Clara. »Sag mal, Achim, gibt es etwas Neues zu dem Online-Konto?«
»Deswegen rufe ich an. Das ist eine Bürokratie, ich kann dir sagen.« Ein Seufzer klang durchs Telefon. »Ich brauche beglaubigte Kopien von deinem Personalausweis und auch vom Betreuungsbeschluss. Sobald ich die habe, schicke ich die Unterlagen los.«
»Ich erledige das morgen. Und danke für deine Unterstützung.«
»Ist doch selbstverständlich.«
Sie verabschiedeten sich. Es war höchste Zeit, sich wieder an die Arbeit zu setzen. Die Autorin wartete auf das Manuskript. Um halb acht war Clara fertig und verschickte es per Mail.
Mittlerweile war es dämmrig geworden und kalt. Das Feuer im Kachelofen wollte nicht richtig anbrennen. Sie holte eine Zeitung aus der Kiste mit dem Altpapier und hielt die in der Hand, die Hannes mitgebracht hatte. Wieder fiel ihr der Artikel über den Mord an der alten Frau auf.
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