Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
großen blauen Augen musterte es Dühnfort unverwandt. Ein ruhiger, nachdenklicher Blick, als könnte es auf den Grund seiner Seele blicken. Für eine Sekunde sah er wieder die Tamponpackung vor sich, die Gina aus der Tüte holte, und sein Herz wurde schwer. Was, wenn es nicht klappte?
»Unser Nachzügler, der Jonas«, sagte Frau Uhland. »Wollen Sie nicht reinkommen?« Sie bat ihn in die Küche. »Ich bereite gerade das Mittagessen für die Kinder vor. Auch wenn mir der Appetit vergangen ist.« Mit der freien Hand rührte sie in einem Topf und warf dabei einen Blick aus dem Fenster auf die gaffende Menge. »Jetzt interessieren sie sich für ihn.«
»Vorher nicht?«
»Der alte Brettschneider ist denen allen am Arsch vorbeigegangen.« Sie legte das Baby in die Wippe auf dem Küchentisch. »Entschuldigen Sie. Normalerweise drücke ich mich nicht so aus. Aber es ärgert mich derart. Wobei er selbst schuld ist. Sie haben sich an ihm die Zähne ausgebissen. Und irgendwann haben sie aufgegeben. Es ist ja nicht so, dass sie nicht versucht hätten, etwas gegen diesen … « Sie suchte nach Worten. »Gegen diesen Zustand zu unternehmen. Immer wieder hat er versprochen, aufzuräumen und auszumisten, sich wenigstens von einem Teil seiner Schätze im Garten zu trennen. Manchmal hat er tatsächlich rumgewerkt, aber nachher sah es nicht besser aus. Kein Stück weniger, eher eines mehr. Hilfe hat er nicht angenommen. Vielleicht hätte ich ja auch irgendwann aufgegeben.« Es klang beinahe resigniert. Sie rührte die Spaghettisoße um, die im Topf langsam vor sich hin köchelte und deren Duft Dühnfort das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. »Sie wohnen wohl noch nicht so lange hier.«
»Erst seit einem Jahr.«
»Gab es einen besonderen Grund, weshalb Sie heute zu ihm hinüber sind?«
»Ich wollte ihn zum Mittagessen einladen. Das Angebot hat er schon einige Male angenommen. Es tut ihm gut, ein wenig unter Leute zu kommen. Und die Kinder mögen ihn. Er erzählt ihnen Geschichten. Genauer gesagt Sagen. Oliver – also mein Sohn – ist völlig begeistert. Neuerdings liest er alles, was er über Odysseus und Achill in die Finger bekommen kann und natürlich über Troja. Der alte Brettschneider war früher Lehrer an einem Gymnasium.« Sie unterbrach sich. »Aber deswegen sind Sie ja nicht da. Also, ich bin so um halb zehn rüber, um ihn einzuladen. Voraussetzung für sein Kommen ist nämlich, dass er duscht oder sich wenigstens wäscht und ordentlich anzieht. Er braucht deshalb entsprechend Vorlauf. Normalerweise steht er hinter der Gardine, wenn jemand klingelt, und guckt, wer es ist. Er lässt eigentlich niemanden rein. Aber heute hat er auf mein Klingeln nicht reagiert, deshalb habe ich durch die Fenster gesehen und ihn dann auf dem Sofa entdeckt. Er sah irgendwie tot aus. Ich weiß auch nicht, weshalb ich das sofort vermutet habe. Ja, und dann habe ich die Notrufnummer gewählt.«
»Und sonst ist Ihnen nichts aufgefallen?«
Einen Augenblick überlegte sie und schüttelte den Kopf.
»Es muss nicht heute gewesen sein. Hatte er gestern Nachmittag oder Abend Besuch? Vielleicht von einer kleinen dunkelhaarigen Frau Mitte bis Ende zwanzig?«
»Abends hat ein Mann geklingelt. Das muss gegen acht gewesen sein. Ich habe gerade den Spüler eingeräumt. Dabei ist er mir aufgefallen.«
»Wie sah er aus?«
»Es war schon fast dunkel. Ich habe ihn kaum gesehen.«
»Groß? Klein? Dick? Dünn?«
Sie holte Teller aus dem Hängeschrank und begann den Tisch zu decken. »Groß. Er trug einen dunklen Mantel. Ich dachte, er kommt von einer Behörde und dass der Brettschneider ihn sicher nicht reinlassen würde. Doch es war ja schon kurz vor acht. Um diese Zeit macht kein Beamter Hausbesuche.«
»Weshalb dachten Sie, er käme von einer Behörde?«
Mit einem Schulterzucken sah sie auf. »Er hatte so etwas an sich. Wie soll ich es beschreiben? Er ging zielstrebig zum Haus. Als hätte er dort etwas zu erledigen. Vielleicht lag es auch am Aktendeckel, es kann auch ein Klemmbrett gewesen sein. Er hielt es in der Hand, als er klingelte.«
»Und Brettschneider hat ihn eingelassen?«
»Er hat die Tür erst nur einen Spaltbreit geöffnet. Sie haben kurz geredet, dann durfte der Besucher rein. Das hat mich schon gewundert.«
»Hatten Sie den Eindruck, dass die beiden sich kannten?«
»Schwer zu sagen. Vielleicht schon. Normalerweise hat der Brettschneider niemanden reingelassen.«
Dühnfort zog das Phantombild aus der Manteltasche. »Haben
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