Deiner Seele Grab: Kommissar Dühnforts sechster Fall (Ein Kommissar-Dühnfort-Krimi) (German Edition)
durch. Gestern Nachmittag hatte Brettschneider ein Telefonat geführt. Davor wochenlang kein einziges. Ein einsamer alter Mann. Dühnfort drückte die Wahlwiederholungstaste. Eine Frau meldete sich. »Juwelier Schwarz, guten Tag.«
»Dühnfort, Kripo München. Es geht um einen Anruf, den Sie gestern kurz nach sechzehn Uhr erhalten haben. Heinrich Brettschneider. Erinnern Sie sich?«
»Nein. Vielleicht hat er mit dem Chef gesprochen. Ich gebe Sie mal weiter.«
Kurz darauf meldete sich ein Mann mit kräftiger Stimme. Dühnfort wiederholte seine Frage.
»Ja, der Heinrich hat angerufen. Was ist mit ihm?«
Todesnachrichten am Telefon zu übermitteln, war Dühnfort ein Gräuel. Doch es ging nicht anders. »Er wurde heute tot in seinem Haus aufgefunden.«
»Tot sagen Sie? Das ist ja furchtbar. Was ist denn passiert?«
»Ist er ein Freund von Ihnen?«
»Freund? Nun ja. Eher ein guter Bekannter. Wobei … Seit seine Frau gestorben ist, ist der Kontakt eingeschlafen.«
»Aber gestern hat er Sie angerufen. Was wollte er?«
»Seine Taschenuhren verkaufen.«
Schwarz berichtete, dass Brettschneider eine Sammlung von fünf antiken Taschenuhren besaß, die er im Laufe seines Berufslebens zusammengetragen hatte. Kleine Kostbarkeiten, jede einige tausend Euro wert. Schon vor langem hatten die beiden vereinbart, falls Heinrich sie jemals verkaufen sollte, dann würde er sie zuerst Schwarz anbieten. »Gestern hatte er wieder einmal angerufen. Das macht er wenigstens einmal im Jahr. Er führt mich an der Nase herum und verkauft nie.«
»Waren Sie bei ihm?«
»Wir wollten uns morgen zum Mittagessen treffen. Das gehört gewissermaßen zum Ritual. Er sagt, er will verkaufen, wir treffen uns zum Essen. Ich mache ihm ein Angebot. Er sagt, er überlegt es sich, und ein paar Tage später ruft er an und sagt, er verkauft nicht.«
»Sie wissen also nicht, ob die Uhren tatsächlich noch in seinem Besitz sind.«
»Wissen? Nein, wissen tue ich das nicht. Aber es würde mich wundern, wenn nicht. Wenn er sie verkauft hätte, dann an mich. Aber der Heinrich kann sich nicht von ihnen trennen. Der kann sich überhaupt von nichts trennen. Was ist denn passiert?«
»Das wissen wir noch nicht. Wenn ich noch Fragen habe … «
»Dann rufen Sie einfach an. Weiß denn der Michael schon Bescheid? Sein Sohn.«
»Wir werden ihn informieren. Wissen Sie, wo die Uhren aufbewahrt werden?«
»Ich war lange nicht mehr bei ihm. Früher lagen sie in einer Schatulle aus Kirschholz. Ein hübsches altes Stück.«
Dühnfort verabschiedete sich und forderte von Berentz Leute für die Suche nach den Uhren an. Sie sollten anrücken, sobald die Spurensicherung fertig war.
Buchholz traf gleichzeitig mit Dr. Ursula Weidenbach ein. Er schob seinen mächtigen Leib erstaunlich gewandt durch die engen Gassen. »Ich habe ja schon einiges gesehen, auch schon so manches Messiedomizil, aber das hier schlägt alles.«
Ursula Weidenbach streifte sich Latexhandschuhe über. Sie drehte den Kopf des Toten, besah sich den Hals und die Schleimhäute der Augen und nickte. »Ein Déjà-vu. Ich denke, er benutzt einen Totschläger. Das Würgen hat er sich diesmal geschenkt.« Sie sah sich um und hob ein graues Polster vom Boden auf. »Vielleicht damit.«
»Können Sie schon etwas zum Todeszeitpunkt sagen?«
»Ach, Herr Dühnfort.« Ein langer Seufzer, in dem die unausgesprochene Frage mitschwang, wann die Ermittler es endlich lernen würden, dass diese Frage nicht mit einem Blick auf die Leiche zu beantworten war.
Gemeinsam entkleideten sie den Toten. Die Leichenflecke waren an den abhängenden Partien voll ausgebildet, ließen sich aber vollständig wegdrücken. »Mindestens sechzehn, maximal zwanzig Stunden.« Ursula Weidenbach sah auf die Uhr. »Sagen wir frühestens sechzehn Uhr, spätestens zwanzig Uhr gestern Nachmittag beziehungsweise Abend.«
Dühnfort sah aus dem Fenster. Noch immer standen die Nachbarn gaffend auf dem Gehweg. Was sich abzuzeichnen begann, gefiel ihm nicht. Ein Serienmörderpärchen. Ein selbsternannter Samariter und eine moldawische Putzfrau beklauten und töteten alte Menschen.
37
Marie Uhland wohnte mit ihrer Familie in der gegenüberliegenden Doppelhaushälfte. Klettergerüst im Garten, neben der Haustür Kinderfahrrad, Inlineskater und ein Kinderwagen. Sie öffnete, bevor Dühnfort klingeln konnte. Eine aparte Frau Ende dreißig, mit einem Baby auf dem Arm, dessen Kopf von blondem Flaum bedeckt war. Ein Schnuller wackelte im Mund. Mit
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