Dekan Diavolo
Straßengraben finden konnte. Das Tier war ziemlich schwer. Es bestand aus Stein, und der Inspektor mußte Kraft aufwenden. Schließlich kippte die Figur in den Graben und blieb auf der Seite liegen.
»Das war's«, sagte Suko, drehte sich um — und erstarrte im gleichen Augenblick zu Stein.
Gaby Wittmann sah ihn an. Noch immer rührte sie sich nicht vom Fleck. Diesmal allerdings unfreiwillig, denn hinter ihr ragte Goran, der Motorradfahrer hoch. Mit einem Arm hielt er ihren Körper und auch die Arme umschlungen. Die rechte Hand aberlag nahe der Kehle. Er trug schwarze Stulpenhandschuhe. Wo die Finger endeten, schaute etwas Langes, Bleiches hervor — ein Knochenmesser.
Und es befand sich nur eine Nagelbreite vom Hals des Mädchens entfernt!
***
Suko tat gar nichts. Es war am besten, wenn er sich ruhig verhielt. Diese aus Gebeinen hergestellten Messer waren höllisch scharf. Sie durchdrangen die Haut wie Papier.
Goran schaute über die rechte Schulter der jungen Frau hinweg. Sein Sichtvisier hatte er in die Höhe geklappt. Suko konnte sein Gesicht erkennen.
Die brutalen Züge waren ihm noch in deutlicher Erinnerung geblieben. Das etwas breite Gesicht, die Tücke in den Augen. Allerdings war sein Haar unter dem schwarzen Helm verborgen.
»So sieht man sich wieder, Chinese!«
»Ja. Ich habe auch damit gerechnet.«
»Hat dir diese Verräterin alles erzählt?«
»Sie ist keine Verräterin!« hielt Suko dagegen. »Wie kann ein Mensch eine Sache verraten, die von Grund auf schlecht ist, bei der der Teufel seine Hand im Spiel hat.«
Unter dem Helm hörte Suko das Lachen. »Der Teufel? Nein, der hat seine Klauen nicht im Spiel. Wir alle folgen dem großen Ramis. Was wir in Zagreb aufgebaut haben, werden wir hier fortführen. Die Lehren des großen Ramis müssen hinaus in die Welt getragen werden. Die sechs Geister, die ihn tragen, sollen wieder zu Ruhm und Ehre gelangen, und dies unter dem Zeichen des Dekan Diavolo. Wir haben euch nicht vergessen, Chinese, aber Zagreb war nur eine Station und uns eine Lehre, verstehst du?«
»Natürlich.«
Goran fuhr fort: »Und die Kleine hier, sie ist unser Trumpf, der Lockvogel. Wir haben schon bemerkt, daß sie nicht hinter uns stand. Äußerlich verteidigte sie die Lehren des großen Philosophen zwar, aber innerlich hat sie sich von ihm getrennt. So etwas ist nicht gut. Wir müssen mit Leib und Seele hinter ihm stehen.«
»So einen Unsinn habe ich schon einige Male von euch gehört. Komm zur Sache, Goran.«
»Sehr gern, Chinese. Weißt du überhaupt, wie es weitergehn wird?«
»Ich kann es mir vorstellen. Da ich nicht zu den Privilegierten gehörte, die eine Universität besuchen durften, bin ich gespannt darauf, eine kennenzulernen.«
Heftig nickte Goran, ohne allerdings die Haltung seiner rechten Hand zu verändern. »Du wirst sie kennenlernen, die Horror-Uni. Wir haben sie gegründet, und sie wird für dich zu einem Grab werden.«
Daß alles so enden sollte, war Suko längst klar. Nur überlegte er, woher dieser Goran die Sicherheit nahm. Allein aus der Tatsache, daß sich eine Geisel in seinen Klauen befand?
Das wollte Suko nicht in den Sinn. Seiner Ansicht nach besaß er noch genügend Trümpfe.
Der Inspektor schielte zur Seite. Rechts und links des Weges befanden sich Felder, die als schwarze Wellen eine Landschaft markierten und erst dort aufhörten, wo sich die hohen Bäume der Wälder abzeichneten. Einsamkeit war Trumpf. Der Himmel zeigte ein dunkelgraues Muster aus gewaltigen Wolken. Weder Mond noch Sterne standen auf der Fläche und schickten ihr Licht auf die Erde.
Nur der Wind wehte über die Höhen und brachte einen kühlen, schon leicht herbstlichen Duft mit.
Das Schweigen lastete zwischen ihnen. Gaby Wittmann, die Geisel, wirkte zart und zerbrechlich in den Klauen des Mannes. Ihr kurzes, schwarzes Kleid war noch mehr in die Höhe gerutscht. Unter den dünnen schwarzen Strümpfen schimmerten die Beine wie Porzellan. Im Gegensatz zu ihr wirkte Goran wie ein in der Hölle geschaffenes Monstrum. Schwarz, kompakt, grausam, sehr siegessicher, was Suko allerdings bezweifelte.
Gut, mit einer normalen Waffe konnte er nichts gegen ihn ausrichten, aber er besaß seinen Stab. An ihn mußte er herankommen, ihn nur berühren und ein bestimmtes Wort rufen.
Von der Frau konnte er keine Hilfe erwarten. Gaby Wittmann war schon über ihren eigenen Schatten gesprungen, als sie den Dekan verraten hatte. Außerdem besaß sie nicht die körperlichen Kräfte, um Goran
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