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Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
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über diesen brillanten, manchmal unnahbaren, gegenüber sich selbst und anderen oft so unnachgiebigen Mann in einem Satz beschreiben, der ihm gerecht wurde?
    Ihm fiel wieder ein, was sein Vater über das Leben nach dem Tod gesagt hatte: Meine ganze Religion ist: Tu deine Pflicht und erwarte keine Belohnung dafür, weder in dieser noch in einer anderen Welt. Aber konnte man so was wirklich in eine Todesanzeige schreiben? Schließlich entschied er sich, das Zitat zu verkürzen: Tu deine Pflicht und erwarte keine Belohnung dafür. Ja, das hätte seinem Vater vermutlich gefallen.
    Der Gedanke trieb ihm erneut die Tränen in die Augen. Er ließ sie laufen und versuchte, sich an die Schmerzen und die Leere in seinem Inneren zu gewöhnen. Ihm wurde klar, dass sein Vater der einzige Mensch in seinem näheren Umfeld gewesen war, den er geliebt hatte.
    Später meldete er sich bei Nina Schmidt und fuhr zu ihr, damit sie ihm die Schlüssel geben konnte. Sie war jünger, als er vermutet hatte, Anfang dreißig vielleicht, mit einem kantigen Gesicht und kurzen Haaren. In ihren Augen sah er echte Trauer, als sie ihm ihr Beileid aussprach. Sie hatte seinen Vater gemocht, obwohl er bestimmt kein einfacher Pflegepatient gewesen war.
    Von dort aus fuhr er zu der Dreizimmerwohnung, deren rückwärtige Seite den Blick auf ein Alsterfleet freigab. Sein Vater hatte sie vor etlichen Jahren gekauft, lange bevor er in den Ruhestand gegangen war. Bei den hohen Mietpreisen in Hamburg hatte sie vermutlich inzwischen einen beträchtlichen Wert. Eisenberg würde sie verkaufen und das Geld für seine Kinder anlegen. Aber das hatte noch Zeit.
    Sein Vater war immer ein ordentlicher Mensch gewesen. Nichts deutete darauf hin, dass er seine Wohnung unvorbereitet verlassen hatte. Der Schreibtisch mit dem zehn Jahre alten Computer war aufgeräumt. Die Bücher in seinem Arbeitszimmer, hauptsächlich juristische Fachliteratur und ledergebundene Jahresausgaben von Zeitschriften, standen alphabetisch aufgereiht in den Regalen. Nur der Rollstuhl stand mitten im Raum. Hier musste Frau Schmidt am Vormittag die Leiche gefunden haben.
    Ein expressionistisches Ölgemälde verbarg einen in die Wand eingelassenen Tresor. Er kannte die Kombination: sein eigenes Geburtsdatum. Im Inneren des Safes fand er Ausweisdokumente, einige alte Münzen und einen Briefumschlag, auf den in der akkuraten Handschrift seines Vaters Für Adam geschrieben war.
    Außer dem Rollstuhl gab es im Arbeitszimmer keine Sitzgelegenheit. Eisenberg setzte sich auf den einzigen Stuhl in der kleinen Küche, wo Nina Schmidt ihrem Pflegepatienten sicher oft Gesellschaft geleistet hatte, und öffnete den Brief mit zitternden Händen. Er trug ein Datum, das erst zwei Wochen zurücklag.
    Lieber Adam,
    wenn Du das hier liest, bin ich nicht mehr da. Wir beide wissen seit Langem, dass dieser Tag kommen wird. Ich bin darauf wahrscheinlich besser vorbereitet als Du, der Du schon so viele Tote gesehen hast. Vielleicht tröstet es Dich, zu wissen, dass ich keine Angst habe vor dem Sterben. Ich hatte ein gutes, erfülltes Leben und habe alles bekommen, was ein Mensch sich erhoffen darf. Von all den guten Dingen, die mir widerfahren sind, waren Du und Deine Mutter die besten. Seit sie starb, habe ich mir immer vorgestellt, dass sie sich im Universum aufgelöst hat wie ein Tropfen Wasser, der in einen Ozean fällt. Die Moleküle verteilen sich immer weiter, bis irgendwann in jedem Tropfen etwas von ihr steckt. Ich sehne mich danach, ein Teil desselben Ozeans zu werden und so mit ihr eins zu sein.
    Aber genug der Sentimentalitäten. Meine Beerdigung habe ich bereits organisiert, die Adresse findest du auf dem Beiblatt, aber wie ich Frau Schmidt kenne, hat sie dir schon alles gesagt. Mein Testament liegt bei dem Notar Dr. Diekgräf, die Adresse steht ebenfalls dort. Ich habe meiner langjährigen Pflegerin eine Summe aus meinem Barvermögen zugedacht, sie hat mich wirklich sehr liebevoll gepflegt und ist mir eine gute Freundin geworden. Ich weiß, Du bist damit einverstanden.
    Zum Schluss möchte ich Dir sagen, wie stolz ich auf Dich bin. Ich hoffe, dass Du mit Deiner neuen Stelle eine Aufgabe gefunden hast, die Dich so ausfüllt wie mich meine Aufgabe als Richter immer ausgefüllt hat.
    In großer Liebe
    Dein Vater
    Auf einem zweiten Blatt waren sorgfältig Adressen, Konto- und Telefonnummern aufgeführt, die Eisenberg brauchen würde, um den Nachlass zu verwalten. Wie immer hatte sein Vater an alles gedacht.

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