Delete: Thriller (German Edition)
der Welt spielen. Ich dachte, vielleicht hat er sich von irgendwo anders eingeloggt.«
»Verstehe.«
»Aber das hat er nicht. Ich habe jedoch herausgefunden, dass in den letzten sechs Monaten auch noch andere Spieler spurlos verschwunden sind. Insgesamt vier.«
»Wie viele Spieler nehmen denn an diesem Spiel teil?«
»Äh, ungefähr fünfzig Millionen. Weltweit.«
»Fünfzig Millionen? Und Sie glauben, es gibt einen Zusammenhang mit dem Verschwinden Ihres Freundes, wenn von fünfzig Millionen Spielern noch drei andere spurlos verschwunden sind?«
»Da ist noch mehr. Erstens haben alle Verschwundenen hier in Berlin gewohnt. Und zweitens haben sie sich alle auf dieselbe Weise merkwürdig verhalten, kurz bevor sie verschwanden.«
»Was meinen Sie damit?«
Mina erzählte, wie Thomas während des Raids plötzlich ausgeschert war und von einer »Welt am Draht« gesprochen hatte.
»Und bei den anderen war es genauso! Sie haben seltsame Dinge gesagt, die darauf schließen lassen, dass sie die Welt für künstlich hielten. Und dann waren sie plötzlich weg. Von einer Minute auf die andere.«
Die Beamtin musterte Mina stumm.
»Und was schließen Sie daraus?«
Mina kämpfte mit den Tränen. Sie würde jede Chance auf ein Eingreifen der Polizei zunichtemachen, wenn sie zugab, wovor sie Angst hatte. Sie schluckte. »Ich weiß nicht, was ich daraus schließen soll.«
Die Beamtin lächelte verständnisvoll.
»Ich verstehe, dass Sie Ihren Freund unbedingt wiederfinden wollen. Aber selbst wenn Sie sich eine noch so absurde Geschichte ausdenken, werden wir Ihnen nicht helfen können. Er wird schon irgendwann wieder auftauchen. Am besten, Sie versuchen, über die Trennung hinwegzukommen.«
Mina spürte Zorn in sich aufkeimen.
»Sie denken, ich habe mir das alles ausgedacht?«
»Jedenfalls haben Sie mir bisher noch immer keinen konkreten Anhaltspunkt für eine Straftat genannt«, sagte die Beamtin mit professioneller Stimme.
»Aber … vier Menschen sind verschwunden. Einfach so. Ich habe eine ganze Woche gebraucht, um das herauszufinden. Ich habe mit Freunden und Eltern telefoniert. Eine der Verschwundenen war schwere Diabetikerin. Ihre Eltern haben damals eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Überprüfen Sie das!«
»Wie ist der Name?«
»Angela Priem.«
Die Polizistin tippte den Namen in ihren Computer ein.
»Tatsächlich, hier ist eine Vermisstenanzeige«, sagte sie. »Die Kollegen sind bereits vor zwei Monaten aktiv geworden. Und Sie sagen, die beiden haben sich gekannt?«
»Welche beiden?«
»Ihr Freund und Frau Priem.«
»Nein, nicht dass ich wüsste. Aber sie sind unter den gleichen unerklärlichen Umständen verschwunden.«
Die Beamtin seufzte.
»Also schön. Ich nehme eine Vermisstenanzeige auf. Die Kollegen werden sich dann noch mal mit Ihnen in Verbindung setzen. Wie ist Ihr Name, bitte?«
Als Mina zehn Minuten später das Polizeirevier verließ, verspürte sie keine Erleichterung. Sie war sich bewusst, dass sie sich möglicherweise selbst in Gefahr gebracht hatte.
In der letzten Woche hatte sie einen inneren Konflikt durchlebt, der immer noch nicht ausgestanden war. Als sie dem Hinweis des Diebs Schattenhand gefolgt war und in der Eisengilde nachgefragt hatte, war sie auf den Namen Jan-Hendrik Kramer gestoßen, siebenundzwanzig Jahre alt, der als freiberuflicher Grafiker gearbeitet hatte. Sie hatte seine Adresse ausfindig gemacht und in seiner Nachbarschaft herumgefragt. Auch er war anscheinend von einer Minute auf die andere spurlos verschwunden. Auch er hatte nach Aussage eines befreundeten Mitglieds der Eisengilde »seltsame Sachen gesagt«. Dann hatte seine Spielfigur sich plötzlich nicht mehr gerührt, obwohl sein Status immer noch »online« gewesen war. Irgendwann war die Verbindung zum Spielserver automatisch getrennt worden. Danach hatte ihn niemand mehr gesehen, weder online noch offline. Das war jetzt drei Monate her.
Mina hatte daraufhin in diversen Foren, in denen sich Spieler austauschten, Mitteilungen eingestellt. Sie hatte die beiden Ereignisse beschrieben und darum gebeten, sie zu kontaktieren, falls jemand einen ähnlichen Fall kannte. Kurz darauf hatten sich zwei Spieler bei ihr gemeldet und von weiteren Vermissten berichtet. Lukas Koch, ein Germanistikstudent, war bereits vor sechs Monaten verschwunden. Auch er hatte sich seltsam verhalten, obwohl sich niemand mehr genau erinnern konnte, was damals geschehen war. Angela Priem, die Diabetikerin, hatte mit einer Freundin
Weitere Kostenlose Bücher