Delete: Thriller (German Edition)
zusammengewohnt, die jedoch zum Zeitpunkt ihres Verschwindens verreist gewesen war. In ihrem Fall hatte man das seltsame Verhalten während des Spiels auf eine Unterzuckerung zurückgeführt. Die Eltern hatten die Polizei eingeschaltet, doch sie blieb verschwunden.
Während ihrer Recherchen war Mina immer wieder hin- und hergerissen zwischen ihrer natürlichen Bodenständigkeit und der Ungeheuerlichkeit des Zusammenhangs, der sich hier auftat wie ein schwarzer Abgrund. Oft wachte sie in der Nacht auf, von Albträumen geplagt, in denen sich die Welt um sie herum in Nichts auflöste.
Was, wenn es wirklich stimmte? Was, wenn diese vier Menschen von irgendwelchen höheren Wesen einfach gelöscht worden waren? Aus dem Spiel genommen, damit sie die Wahrheit nicht weiterverbreiten konnten und das Experiment, das diese auf der künstlichen Erde durchführten, nicht gestört wurde?
Aber hätten sie dann nicht auch Mina selbst schon längst löschen müssen?
Möglicherweise hing es davon ab, wie diese Wesen – wenn es sie wirklich gab – ihre künstliche Welt überwachten. Sie waren zwar in gewisser Hinsicht allmächtige Götter, aber sie waren höchstwahrscheinlich nicht allwissend. Auch die Betreiber von World of Wizardry konnten schließlich nicht wissen, was all die künstlichen Wesen in Goraya gerade taten. Aber es war denkbar, dass sie auf bestimmte Hinweise reagierten, etwa auf das Erwähnen einer virtuellen Realität in einem Computerspiel – oder das Melden einer vermissten Person bei der Polizei.
Inzwischen allerdings hatte sich in der World of Wizardry -Community eine breite Diskussion über das rätselhafte Verschwinden der vier Spieler entwickelt. Alle möglichen Verschwörungstheorien wurden diskutiert. Wenn die Weltenschöpfer sich nun entschlossen, Mina aus dem Verkehr zu ziehen, würden sie diese Diskussion eher anheizen als unterbinden.
Aber wollten sie das überhaupt? Hätten sie dann nicht auch Daniel F. Galouye und seinen Roman löschen müssen, Rainer Werner Fassbinder und seinen Film oder die Wachowskis? Hätten sie nicht schon Konrad Zuse daran hindern müssen, den Computer zu erfinden? Wenn es ihnen andererseits egal war, ob die Menschen merkten, dass sie nur in einer Simulation lebten – oder wenn das alles bloß ein Hirngespinst war – wieso waren dann die vier Spieler verschwunden?
Dass das Verschwinden der vier unter ähnlichen Umständen, innerhalb relativ kurzer Zeit und in derselben Stadt nur ein Zufall war, wollte Mina nicht glauben. Doch wenn es einen anderen Zusammenhang gab, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, welcher das war.
17.
Klausen und Morani halfen Eisenberg, die Stapel von Ausdrucken und leeren Verpackungen von seinem Arbeitsplatz wegzuschaffen. Der Drucker erhielt einen neuen Platz auf einem halbhohen Regal. Eisenberg platzierte die paar persönlichen Dinge, die er mitgebracht hatte, auf seinem Arbeitsplatz: ein Bilderrahmen mit Fotos seiner Kinder, ein altmodischer, ledergebundener Tagesplaner, ein kleiner Spielzeug-Streifenwagen, den ihm Michael einmal als Glücksbringer geschenkt hatte, als er fünf Jahre alt gewesen war, und ein angelaufener Silberbecher für den zweiten Platz bei einem Sportwettbewerb der Polizeihochschule, den er für Stifte benutzte. Die Mappe mit Urkunden und Auszeichnungen für besondere Verdienste platzierte er in der untersten Schublade, wo sie auch in Hamburg gelegen hatte. Besonders aufwendig war es nicht gewesen, die Spuren seines bisherigen Berufslebens nach Berlin zu verlagern.
Gegen Mittag erschien ein Techniker der zentralen Informationstechnik. Er sah sich argwöhnisch um, als habe er Angst, Wissmann und Varnholt könnten jeden Moment über ihn herfallen. Er installierte einen Laptop für Eisenberg und erklärte ihm, wie er sich im internen Netzwerk anmelden konnte. Dann verschwand er.
Nach einem Mittagessen in der Kantine, deren Gerichte genauso fad waren wie in Hamburg, rief Eisenberg noch einmal das Team zusammen. Er erklärte seinen neuen Mitarbeitern die bisherigen Ermittlungsergebnisse zum Hamburger Mädchenhändlerring und bat um Vorschläge, wie die SEGI die Ermittlungen unterstützen könne.
»Fällt diese Sache nicht in die Zuständigkeit des LKA Hamburg?«, fragte Varnholt.
»Soweit es die dort ansässigen kriminellen Organisationen und die dort verübten Straftaten betrifft, schon«, erwiderte Eisenberg. »Aber erstens ist Menschenhandel ein globales Phänomen, das nur erfolgreich bekämpft werden
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