Delfinarium: Roman (German Edition)
angemessene Reaktion empfand und die ihn wegen seiner Schwäche seit langem verachtete, beschloss, sich selber um die Sache zu kümmern. Er werde den Weinberg bekommen, versprach sie ihm.
Sie schrieb Briefe in Ahabs Namen an die Ältesten und Oberen. Diese sollten ein Fasten ausrufen, das Volk versammeln und Nabot von zwei ruchlosen Männern denunzieren lassen. So geschah es: Die Ältesten und Oberen riefen ein Fasten aus, das Volk versammelte sich auf dem zentralen Platz, die ruchlosen beiden behaupteten öffentlich in Anwesenheit Nabots, dieser habe mehrfach Gott und den König gelästert. Nabot wurde kurzerhand aus der Stadt geführt und dort gesteinigt.
Ahab nahm wenig später den Weinberg in Besitz.
»Sau!«, hört man es durch die Kirche hallen.
Gott in seiner Allmacht aber offenbarte sich einem Mann namens Elia aus Tisbit. Er trug ihm auf, vor König Ahab zu treten, den er auf Nabots Weinberg finde. Der göttliche Zorn über den Mord und den Raub des Weinbergs war immens.
Elia wanderte zum Weinberg, der ein Kohlgarten geworden war, und wiederholte vor Ahab jene Worte, die ihm die Gottheit in den Mund gelegt hatte:
Du hast dich verkauft, Unrecht zu tun vor dem Herrn. Siehe, ich will Unheil über dich bringen und dich vertilgen samt deinen Nachkommen und will von Ahab ausrotten, was männlich ist, bis auf den letzten Mann!
Isebel werde von Hunden gefressen. Und alle von Ahabs Leuten, die in der Stadt stürben, sollten ebenfalls von Hunden gefressen werden, und jene, die auf dem Feld stürben, von den Vögeln unter dem Himmel.
Es gibt bei diesen Worten einiges Gemurmel in der Kirche.
Elia hatte zu Ende gesprochen. Ahab starrte ihn an, dann riss er sich die Kleidung vom Leib. Er hüllte sich in ein härenes Tuch. Er schlief die folgenden Nächte im Staub. Er sprach und aß nicht mehr. Und abermals ertönte Gottes Wort durch Elia: Weil Ahab sich reuig zeige, werde das Urteil revidiert. Das angekündigte Unheil solle nicht dem König selbst widerfahren, sondern seinen Nachkommen.
Der Pastor nimmt seine Brille ab, hält sie in der linken Hand neben sein Gesicht, lässt sie vor und zurück wippen, mit der anderen greift er sich in den Bart.
»So endet diese Geschichte von göttlicher Gerechtigkeit, so erzählt die Bibel«, sagt er. »Was diese Geschichte uns wohl sagen will? Uns in der Dritten Meile des Alten Landes?«
»Heftig«, zische ich Petra zu.
»Ja, starker Tobak«, sagt sie.
»Dein Vater ist aber krass drauf«.
»Echt«, sagt sie, » zu seines Sohnes Lebzeiten will ich Unheil über sein Haus bringen .«
»Krass«, sage ich. »Krasser Gott. Was können denn die Kinder dafür? Armer Bürgermeister«, sage ich, weil ich auf einmal voller Mitleid an Airbus-Manager, den Senat und den Bürgermeister denken muss, die die Obstbauern enteignen wollen. Aber dann fällt mir ein, dass der Bürgermeister schwul ist, insofern dürfte es hier wohl keine Komplikationen mit den Nachkommen geben.
Später betrachte ich Petra von der Seite, ihr bleiches Gesicht, auf dem sich immer mehr rote Flecken bilden, je hitziger die Debatte wird. Wir sitzen im mit Girlanden geschmückten Gemeindesaal. Auf dem Podest hat gerade ein Bauer mit Cordhut erklärt, dass es ja nicht nur um Geld und um die Landebahn gehe, sondern generell um die Traditionen und das Dorf und um die Vorväter, um Heimat, die man nicht einfach so kaufen oder verkaufen könne. »Genau«, höre ich es halblaut neben mir sagen, und deshalb schaue ich Petra an. Das hier ist toll. Ich habe gar nicht damit gerechnet, ich habe es mir peinlich vorgestellt und öde. Ich habe erst gar nicht mitgewollt, aber nach der Sache in der Kirche habe ich meine Meinung geändert, und ich bereue es nicht. Es besitzt einen ziemlichen Unterhaltungswert. Eigentlich hatte ich nicht mit den Vogelfreien in Verbindung gebracht werden wollen, um meinen Ruf nicht zu ruinieren.
»Welchen Ruf?«, hatte Petra gesagt, und: »Ich will dich da auch gar nicht dabeihaben, da blamierst du mich bloß.«
Das hatte die Wende gebracht.
Sie treffen sich regelmäßig im Gemeindesaal, die tapferen Gallier aus unserem sympathischen Dorf, um Strategien und Pläne zu besprechen. Es schweißt enorm zusammen, stelle ich mir vor, das Imperium Romanum gegen sich zu wissen und ganz Gallien ist unterworfen, nur man selbst leistet noch WIDERSTAND.
Sie hat noch nichts gesagt, sie ist ungewöhnlich still und zurückhaltend, das ist eigentlich gar nicht ihre Art. Ich nehme
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