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Delfinarium: Roman (German Edition)

Delfinarium: Roman (German Edition)

Titel: Delfinarium: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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unnatürlich blaue Augen.
    Er hält mir ein gelbes Stück Karton hin. In diesem Moment fällt es mir ein. Er war im Delfinarium, er blieb bis zum Schluss, bis alle gegangen waren, er saß Susann und mir gegenüber und beobachtete uns.
    »Ich will Sie nicht lange aufhalten«, sagt er. »Rufen Sie mich an, besuchen Sie mich. Ich kann mir vorstellen, dass es von Bedeutung für Sie ist.«
    Das Stück Karton ist eine Visitenkarte. In geschwungener, grüner Computer-Schreibschrift steht darauf: Ferdinand Pape, Oberalter vom Alten Land, Museumsleiter, Museum Altes Land, Westerjork 49, Jork usw.
    »Rufen Sie mich an«, sagt er, »oder besuchen Sie mich, wenn Sie sich für das Geheimnis interessieren.« Der alte Mann lächelt und seine blauen Augen strahlen.
    Komische Formulierung, denke ich.
    Ich schaue dem Mann hinterher, dem Oberalten vom Alten Land, der in den Kirchenraum drängt.
    Die Kirche ist voll wie zu Weihnachten. Alle sind da, auch Dorfbewohner, die ich noch nie zu Gesicht bekommen habe, denen man ihr Apfeltum aber deutlich ansieht. Dazu Leute aus der Stadt, Sensationsgierige, Journalisten. Es hat sich herumgesprochen, dass der Pastor eine besondere Predigt halten wird. Den Oberalten kann ich nicht mehr entdecken. Die Stimmung in der Kirche ist gut, die Leute sind ausgelassen. Wenn man mit einem Bauchladen herumginge, Eiskonfekt und Popcorn, würde man sicher kein schlechtes Geschäft machen. Schade, auf solche Ideen komme ich immer zu spät, wir hätten Petras Vater zumindest fragen können. Petra hat mir einen Superplatz freigehalten, dritte Reihe im Parkett oder wie das in der Kirche heißt, links vom Gang, direkt gegenüber der Kanzel.
    Dann geht das übliche Brimborium los, Orgel, Lieder, ich bin schon lange nicht mehr in der Kirche gewesen. Petra singt voller Inbrunst mit, sie kennt die ganzen Lieder auswendig, ich bewege nur die Lippen.
    Von da, wo wir sitzen, hat man einen tollen Blick auf das Wandbild hinter dem Altar. Die ganze Wand ist bis zur Decke bemalt. Links eine Szene, wie die gottesfürchtigen Menschen aus dem Jammertal Erde von irgendwelchen Engeln emporgetragen werden. In der Mitte der Herrgott mit dem verherrlichten Erlöser. Und rechts das Höllenfeuer. Viel besser als der seichte Rest. Eine lodernde Flammentür wird von einem nackten Dämon aufgestoßen. Dem Betrachter, mir, hat er den Hintern entgegengestreckt, verdammt pralle, fleischige Hinterbacken, ein muskulöser, schimmernder, schwarz-roter Rücken, jeder Muskelstrang einzeln abzulesen. Mit einer Forke schippt er die Sünder ins Feuer. Das hat eine Lebendigkeit, von der die Heiligen auf der anderen Seite nur träumen können. Dieser Faszination muss der Künstler ebenso erlegen sein wie ich. Die Darstellung ist viel kraftvoller, leiblicher, verführerischer als die der himmlischen Heerscharen. Mich wundert, dass die Kirche nicht zum unheiligen Versammlungsort von Teufels- und Götzenanbetern geworden ist. Ich frage mich, ob das Böse immer eine größere Faszination ausübt als das Gute. Das Gute kommt immer so brav und lasch rüber. Ich jedenfalls kann meine Augen nicht von den teuflischen Hinterbacken lösen, auch nicht, als Petras Vater auf die Kanzel getreten ist.
    Er sieht beeindruckend aus in seinem Gewand, groß, mit Vollbart. Die Bilder bekomme ich nie richtig zusammen, Petras Vater zu Hause, Petras Vater als Pastor im Ornat.
    Er sagt, dass er aus gegebenem Anlass eine Geschichte aus der Bibel vorlesen wird, 1. Buch der Könige, Kapitel 21. Er hat eine volle, tiefe Stimme, die den Kirchenraum ausfüllt. Er guckt in seine Bibel und sagt: »Nabot, ein Jesreeliter, hatte einen Weinberg.«
     
    Nabot besaß einen Weinberg, der genau an den Palast des Königs Ahab grenzte. Ahab, wie der besessene Kapitän in Moby Dick. König Ahab ließ Nabot zu sich kommen und eröffnete ihm, dass er seinen Weinberg in Besitz zu nehmen gedenke, um den eigenen Palast um einen Kohlgarten zu erweitern. Er biete ihm einen besseren Weinberg anderswo oder Silber von entsprechendem Wert als Entschädigung an. Nabot aber war nicht einfach so vom Erbe seiner Väter zu trennen. Er sagte Nein.
     
    Hier macht der Pastor die erste Kunstpause, er blickt über den Rand der Brille und lässt seine Blicke vielsagend über seine Gemeinde, oder was sich dafür hält, schweifen. Die Bezüge dürften klar sein.
     
    Ahab zeigte sich so verärgert über die Weigerung Nabots, dass er in der Folge die Nahrung verweigerte. Seine Frau Isebel, die dies nicht als

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