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Delfinarium: Roman (German Edition)

Delfinarium: Roman (German Edition)

Titel: Delfinarium: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Weins
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glaube ich nicht«, sagt er. Er pustet in seinen Kaffee. »Dass es dieselbe Frau zweimal gibt, meine ich, in zwei Ausführungen. Glaube ich nicht. Das mit den Quanten, das schon. Aber das andere nicht.«
    Ich denke nach, dann sage ich: »Nee, ich eigentlich auch nicht.«
    Wir sitzen da und schlürfen Kaffee.
    »Hast du nach der Tätowierung geguckt?«, fragt er.
    »Äh, nein«, sage ich.
    »Ach so.«
     
    »Es ist eine Schnapsidee«, sage ich und meine alles, dass wir überhaupt losgefahren sind, diesen Versuch, dass wir hier sind. »Sie ist nicht Marie«, sage ich, »sie ist einfach Susann. Ich habe keine Ahnung, wer sie ist.«
    »Hm«, macht Max.
    Wir machen einen Spaziergang um den See. Susann haben wir im Haus gelassen, als wäre sie angekommen, wo sie hingehört. Max hat gerade erzählt, dass Marie schreibt, dass sie Schriftstellerin ist und dass es ihr Haus ist, in dem die beiden leben.
    »Was hat sie denn so geschrieben?«, frage ich jetzt.
    »Du sprichst in der Vergangenheitsform von ihr«, sagt er, »das solltest du nicht tun. Sie sitzt nämlich jetzt in der Küche.«
    »Wir werden sehen«, sage ich.
    »Menschenverbesserungsbücher«, sagt er.
    »Bitte?«
    »Du weißt schon. Bücher mit Tieren, die für die Sehnsüchte von Menschen stehen, Selbstverwirklichungsbücher. Wie man seinen Weg durch das Leben findet. Wie Die Möwe Jonathan zum Beispiel. Menschenverbesserungsbücher eben. Sie hat unter einem anderen Namen geschrieben, es war ihr immer etwas peinlich.«
    »Und davon kann man leben?«
    »Oh ja, sehr gut. Die Menschen wollen so etwas lesen, sie brauchen das. Sie hat das selbst nie für großartige Literatur gehalten. Und sie hätte sich das auch nie träumen lassen. Sie hatte einmal eine Geschichte geschrieben, da war sie noch Studentin. Über eine Amsel, die der eigenen Stimme nicht traut. Und Freunde, denen sie das zeigte, meinten, sie müsse das unbedingt veröffentlichen. Das war vor meiner Zeit. Und dann hat sie Kontakt zu einem Verlag bekommen, der solche Geschichten veröffentlicht. Du kennst das, große Buchstaben, wenig Text, Illustrationen. Und dann hat sich das wirklich gut verkauft. Und seither schreibt sie halt so Zeug. Sie ist etwas zynisch dabei. Sie hat ein männliches Pseudonym, ich bin sicher, dass du zumindest einen ihrer Titel kennst. Na ja, ihr Zeug verkauft sich wie geschnitten Brot. Die Leute schreiben ihr, sie wollen Rat in allen Lebenslagen. Wenn eine Tochter drogenabhängig geworden ist oder der Lebenspartner unheilbar erkrankt ist. Ich hätte das nie geglaubt, im Grunde leben wir beide davon. Sie sitzt hier im Dorf und denkt sich Geschichten aus, die sie selber dämlich findet, über Menschen und Tiere, und jedes Jahr erscheint so ein Buch. Und wir können wirklich davon leben, verrückt.«
    »Hm«, mache ich. »Kann ich mal was lesen?«
    »Klar«, sagt er, »die Bücher stehen ja bei uns herum.«
    »Hast du mal etwas von dem gelesen, was sie in der Zeit unmittelbar vor ihrem Verschwinden geschrieben hat? Vielleicht gibt das Aufschluss darüber, was sie umgetrieben hat, was genau geschehen ist. Vielleicht kündigt sie etwas an oder so.«
    »Ich habe natürlich nachgeschaut, aber bis auf eine Ausnahme sind alle Dokumente auf ihrem Rechner schon mehrere Monate alt. Sie hat an einem Roman geschrieben. Alles Neuere ist verschwunden. Es gibt nur diesen einen kurzen Text.«
    Wir gehen eine Weile schweigend an einem Zaun entlang, der das militärische Sperrgebiet vom Seeufer abtrennt. Ein Schild warnt bei Lebensgefahr davor, diesen Zaun zu überwinden. Hinter dem Zaun stehen Vogelbeerbäume ohne Vogelbeeren.
    »Ist denn wirklich gar nichts vorgefallen, was ihr einen Grund zum Aufbruch, zum Abhauen gegeben haben könnte?«, frage ich. »Habt ihr euch nicht gestritten oder so? Irgendetwas? Ist nicht irgendetwas Sonderbares passiert?«
    »Ich habe mich das immer wieder und wieder gefragt. Ich bin die letzten Tage und Wochen Minute für Minute durchgegangen.«
    »Und?«, frage ich.
    »Nein«, sagt er und schaut mich fest an. »Ich habe nie etwas gefunden, das ihr Verschwinden rechtfertigen könnte, nichts. Das ist es ja, was mich fertigmacht.«
    Ich schaue in sein Gesicht und es sieht ehrlich und ratlos aus. Und trotzdem glaube ich ihm nicht.
    »Ihr habt keine Kinder, oder?«, frage ich.
    »Nein«, sagt Max. »Es hat nicht geklappt. Aber jetzt ist sie ja auch wieder da, was soll’s also.«
    »Na ja«, sage ich.
    Mein Telefon klingelt.
    »Pet«, sage ich, »was gibt’s?«
    »Das

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