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Delia 1 - Delia, die weisse Indianerin

Delia 1 - Delia, die weisse Indianerin

Titel: Delia 1 - Delia, die weisse Indianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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wollte.
    Sie kam dennoch zu spät. Als sie den „Goldenen Löwen“ erreichte, war von der Kutsche weit und breit nichts mehr zu sehen. Der dicke Wirt stand, die Hände unter der Schürze, im Tor und betrachtete sie vorwurfsvoll.
    „Na, da sind Sie ja endlich, Demoiselle“, sagte er. „Ihretwegen ist die Postkutsche mit Verspätung abgefahren. Man hat Sie überall gesucht …“
    „Das tut mir leid“, stotterte Delia atemlos und entsetzt. „Was mache ich denn nun?“
    „Morgen früh um sechs geht die nächste Post von hier nach Hannover. Ich habe Ihnen schon ein Zimmer für die Nacht richten lassen. Bezahlen können Sie doch hoffentlich?“
    „Ja, schon ... aber mein Gepäck?“
    „Das wird der Herr Postillion in Hannover abladen.“
    „Ach so, ja“, sagte Delia verwirrt und folgte dem Wirt in den Gasthof.
    Aber während sie noch hinter ihm her die schmale Treppe hinaufstieg, reifte in ihr ein verwegener Plan. Plötzlich schien es ihr kein böser Zufall mehr, dass sie die Kutsche versäumt hatte, sondern ein Wink des Schicksals.

Das Zimmer, in das der Wirt Delia führte, war groß, düster und ungemütlich. In der Mitte stand ein riesiges, plumpes Bett, unter dem kleinen Fenster ein wackliger Sessel mit zerschlissenem Polster. Sonst gab es nur noch eine Kommode, auf der sich eine Waschschüssel befand, daneben ein Krug mit kaltem Wasser.
    Als der Wirt sie allein gelassen hatte, schüttete Delia erst einmal Wasser in die Schüssel, säuberte sich notdürftig Gesicht und Hände und trocknete sich an dem rauen Handtuch ab. Dann goss sie das schmutzige Wasser in den Kübel, tat frisches in die Schüssel und stellte sie auf den Boden für ihren Mops, der sogleich gierig zu trinken begann.
    Delia ließ sich in den wackligen Sessel sinken, legte den Finger an die Nase und dachte nach. „Sollen wir es wirklich wagen, Professor?“ sagte sie. „Sollen wir die dumme Madame Pützmeier warten lassen und uns aus dem Staub machen? Sollen wir versuchen, uns nach Amerika zu Vater durchzuschlagen?“
    Der Mops wandte sich von der Wasserschüssel ab, dehnte und streckte sich wie ein Kater und kam mit wackelndem Hinterteil auf Delia zu.
    „Ja, ja, ich weiß“, sagte sie. „Du bist für jedes Abenteuer zu haben! Aber ... wir müssen auch an Mama denken, nicht wahr?“
    Der Mops setzte sich ihr gegenüber hin, sah treuherzig aus seinen großen Glubschaugen zu ihr auf.
    „Mama soll sich keine Sorgen unseretwegen machen, Professor ... Aber sie würde vor Schreck in Ohnmacht fallen, wenn sie erführe, dass wir verschwunden sind.“
    Der Mops legte seine Stirn in nachdenkliche Falten, und Delia hatte wieder einmal das Gefühl, dass er jedes Wort verstand.
    „Wir müssen uns was ausdenken, Professor“, sagte Delia. „Aber das hat noch Zeit. Das Wichtigste ist, dass wir erst einmal hier wegkommen, ohne dass der dicke Wirt Verdacht schöpft! Wie machen wir das?“
    Delia und ihr Mops sahen sich eine ganze Weile gedankenvoll an, dann sprang Delia auf. „Ich hab’s!“ sagte sie. „Leider geht’s nicht ohne eine faustdicke Lüge ... Schau mich nicht so vorwurfsvoll an, du! Du hast’s ja gut, Professor, du kannst nicht sprechen! Deshalb kommst du erst gar nicht in Versuchung zu lügen. Aber was darauf einzubilden brauchst du dir auch nicht ... Wie du von zu Hause ausgekniffen bist, war auch nicht fein!“
    Delia verließ das Zimmer, der Mops folgte ihr die Treppe hinunter, und ungesehen kamen beide aus dem Haus. Zehn Minuten spazierten sie in der hereinbrechenden Dämmerung durch Gassen und Gässchen, dann drehte Delia sich entschlossen um und kehrte wieder zurück.
    Sie riss die Tür zur Gaststube des „Goldenen Löwen“ auf und rief atemlos: „Herr Wirt! Herr Wirt!“
    Der dicke Mann kam, die Hände an der Schürze abwischend, aus der Küche. „Na, wo brennt’s denn, Demoiselle?“
    „Stellen Sie sich nur vor, Herr Wirt, ich habe Bekannte getroffen! Sie sind auf der Durchreise hier und nehmen mich noch heute abend in ihrer Kalesche bis nach Hannover mit!“
    Der Wirt schien nicht sehr überzeugt. „Hm“, sagte er, „ein bischen merkwürdig, wie?“
    Delia strahlte ihn aus ihren braunen Augen unschuldsvoll an. „Ein toller Zufall, wirklich!“ sagte sie.
    Der Wirt dachte nicht daran, ihr Lächeln zu erwidern. In seinen kleinen Augen stand Misstrauen.
    Delia hatte einen Einfall. Sie öffnete ihre Reisetasche, holte eines ihrer Goldstücke heraus. „Hier!“ sagte sie. „Das ist für Sie! Und für das

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