Delia 2 - Delia und der Sohn des Haeuptlings
leben und fürchtet den Kampf.“
Der andere Mann widersprach. „Unser Häuptling ist ein edler Mann“, sagte er. „Er gebraucht die Kriegslist, wenn es gegen Männer geht. Aber er mag nicht gegen wehrlose Frauen und Kinder kämpfen.“
Delia hörte ein verächtliches Geräusch; der Iowanoka mit der rauen Stimme hatte ausgespuckt. „Die Frauen und Kinder der Weißen sind wie giftige Schlangen“, sagte er.
Das war das Letzte, was Delia hörte, so angestrengt sie auch lauschte. Endlich begriff sie, dass die beiden Iowanokas sich jetzt wirklich entfernt hatten. Sie wartete noch eine Weile, um ganz sicher zu sein. Dann nahm sie ihren Mops in den linken Arm, hielt sich mit der rechten Hand fest und ließ sich zu Boden gleiten.
Ihr Herz war schwer. Sie fürchtete nicht mehr um Akitu. Jetzt wusste sie, dass der Häuptling, sein Vater, in der Nähe war. Damit bestand keine Gefahr mehr für ihren Freund.
Aber es setzte ihr zu, dass die Irokesen offensichtlich einen Überfall auf die Weißen planten. Auch wenn sie viele Jahre und nicht nur Monate unter den Indianern lebte, sie würde niemals aufhören, eine Weiße zu sein und sich als Weiße zu fühlen. Sie hatte aus den Worten der Iowanokas entnommen, dass es sich um einen besonders heimtückischen Überfall handeln musste. Der Häuptling der Iowanokas war durchaus kein Freund der Weißen und scheute nicht den offenen Kampf. Wenn er sich weigerte, die Irokesen zu unterstützen, musste er seine guten Gründe haben.
In dem Augenblick, als Akitu aus dem Dunkel auftauchte, fühlte Delia sich sofort besser. Endlich war sie nicht mehr allein, endlich gab es wieder einen Menschen, dem sie ihre Sorgen anvertrauen konnte.
Aber sie kam gar nicht dazu, mit Akitu zu reden. „Komm!“ flüsterte er ihr zu.
Seine Stimme war nicht kräftiger als ein Hauch, und Delia begriff sofort, dass sie sehr leise sein musste. Sie setzte den Professor zu Boden; sie wusste ja, dass er ihnen ganz von selbst folgen würde. Dann fühlte sie sich von Akitu bei der Hand genommen und mitgezogen. Und das war gut so, denn obwohl ihre Augen sich inzwischen an das Dunkel gewöhnt hatten, hätte sie ihm anders nicht folgen können.
Es schien ihr, als wenn sie unendlich lange schweigend hinter Akitu herstolperte. Aber dann weiteten sich die Bäume doch, eine Lichtung tauchte auf.
Voll Entsetzen verhielt Delia den Schritt. Sie fürchtete schon, den kriegerischen Irokesen geradewegs in die Arme zu laufen. Aber dann sah sie, dass diese Lichtung nichts anderes als eine Pferdeweide war.
Akitu presste ihr die Hand auf den Mund, lauschte angestrengt. Erst als er sich überzeugt hatte, dass kein Mensch in Hörweite war, sagte er: „Tapferes Eichhörnchen muss sich ein Pferd beschaffen. Drüben bei dem Silberbaum wird Akitu warten.“ Er ließ sie los und war fast im gleichen Augenblick verschwunden.
Ein Pferd beschaffen! Das war leicht gesagt und sah auch ziemlich leicht aus. Auf der Lichtung weideten Hunderte von Pferden. Delia besann sich nicht lange, wählte einen Rappen — seine Farbe schien ihr jetzt, in der Nacht, am günstigsten —, griff ihm in die Mähne und wollte aufsitzen.
Aber sie war noch nicht halb oben, da fühlte sie sich an der Schulter gepackt und zurückgerissen. Sie verlor das Gleichgewicht, plumpste zu Boden und — sah das dunkle Gesicht eines Indianers nahe über sich. Ein Skalpmesser blitzte.
Delia spürte den Schrei, der ihr in der Kehle saß. Sie war so erschrocken, dass sie kein Wort hervorbrachte. Sie glaubte wirklich, dass ihr letztes Stündlein gekommen wäre.
Aber sie hatte nicht mit ihrem Mops gerechnet. Der Professor sah, dass sein Frauchen in Gefahr war, sprang mit einem einzigen tollkühnen Satz den Indianer an und hätte ihn gebissen, wenn der nicht rascher gewesen wäre. Er packte den Mops beim Nackenfell, das Messer zuckte auf ihn zu.
Delia hätte diesen Augenblick benutzen können, um zu verschwinden. Aber sie dachte nicht eine Sekunde daran, ihren allerbesten Freund seinem Schicksal zu überlassen. Mit erhobenen Fäusten stürzte sie sich auf den Indianer. Der ließ den Arm mit dem zappelnden Hund sinken, starrte sie an und — Delia erkannte Grausame Schlange.
Im gleichen Moment erkannte der Krieger das Mädchen.
Die Züge des Indianers blieben unbewegt, aber in seinen Augen spiegelten sich seine Gedanken und Gefühle. Wenn er Delia jetzt umbrachte, gab es einen Zeugen weniger für seine Schande auf der Handelsstation.
Aber der Ausdruck der Mordlust
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