Delia 2 - Delia und der Sohn des Haeuptlings
gefühlt unter dem unendlich weiten, sternenklaren Himmel über der Prärie, wenn nicht ihr Mops gewesen wäre. Der Professor marschierte würdevoll zu ihr hin, kuschelte sich eng an sie, als wenn er ihr zeigen wollte: Sei nicht traurig, Frauchen, solange ich lebe, wirst du nie allein sein!
Delia verstand ihren kleinen Freund auch ohne Worte. Zärtlich streichelte sie ihm über das weiche Fellchen.
Nein, dachte sie, ich bin nicht allein. Der liebe Gott ist immer bei mir und passt vom Himmel aus auf mich auf. Gerade jetzt wird er mich sicher genauso deutlich sehen, wie ich die einzelnen Sterne voneinander unterscheiden kann.
Sie faltete die Hände über dem Rücken ihres Hundes und betete: „Lieber Gott, bitte, hilf mir weiter! Gib, dass der Häuptling der Iowanokas mir erlaubt, in den Westen zu ziehen und Vater zu suchen! Und bring du mich zu ihm!“
Wie immer, wenn sie gebetet hatte, fühlte sie sich gelöst und ruhig. Ihre Gedanken eilten schon voraus. Das Wiedersehen mit ihrem Vater malte sie sich schon als Wirklichkeit aus. Wie sollte sie ihm alles erzählen, was ihr auf der langen, langen Reise zu ihm widerfahren war!
Was sie zuletzt erlebt hatte, schien ihr am interessantesten: wie sie auf die Versammlung mit den Irokesen gestoßen war, der Kriegstanz, den sie beobachtet hatte, Akitus Erklärung …
Und plötzlich war es ihr, als wenn sie das kluge Gesicht ihres Vaters mit den klaren durchdringenden Augen leibhaftig vor sich sähe. Sie glaubte geradezu, seine Stimme zu hören, und diese Stimme sagte: „Und da hast du nichts unternommen, Delia? Du hast einfach zugelassen, dass die Rothäute die Weißen im Fort Chickdown niedermachten? Nicht nur die Soldaten, sondern auch harmlose Einwanderer, Frauen, Mädchen und Kinder?“
Delia schrak hoch. Das Feuerchen war fast herabgebrannt, es glühte nur noch. Hatte sie das alles nur geträumt?
Sie legte ein paar trockene Äste in die Glut, erhob sich. Der Mops sprang auf, begann sie zu umkreisen. Sie beugte sich über Akitu, legte die Hand auf seine Schulter. Sofort schlug er die Augen auf, sah sie ohne Erstaunen an.
„Ich muss fort, Akitu“, sagte sie. „Ich muss die Menschen im Fort Chickdown warnen. Leb wohl, Akitu. Es muss sein.“
Sie hatte Widerspruch erwartet, aber der Indianerjunge blieb völlig gelassen. „Tapferes Eichhörnchen wird nicht allein zum Fort hinfinden“, sagte er.
„Ich muss es versuchen.“
Ohne eine weitere Entgegnung erhob sich Akitu, folgte Delia zu den Pferden, die in einiger Entfernung weideten.
„Was hast du vor?“ fragte Delia erstaunt.
„Dich zu begleiten“, entgegnete er ruhig. „Ich bin dein Blutsbruder, hast du das vergessen?“
Delia war völlig überwältigt, das hatte sie nicht erwartet. „Aber Akitu“, rief sie, „ich … will den Weißen helfen, deinen Feinden. Nein, wirklich, ich kann nicht von dir verlangen, dass du mir dabei hilfst.“
„Wenn Tapferes Eichhörnchen wüsste, Dorf der Iowanokas sollte von weißen Männern überfallen werden — würde Tapferes Eichhörnchen Akitu nicht auch helfen, Iowanokas zu warnen?“
„Doch“, sagte Delia, „du hast recht, Akitu. Du bist ein wirklicher Freund, ich werde dir das nie vergessen.“
Sie schwang sich auf ihr Pferd, und Akitu folgte ihrem Beispiel. Seite an Seite sprengten sie über die nächtliche Prärie. Noch nie hatten sie sich einander so verbunden gefühlt wie in dieser Nacht, da das Schicksal ihrer Rassen sie beinahe für immer getrennt hätte.
Kurz nach Sonnenaufgang erreichten Delia und Akitu das Fort Chickdown. Die Sonne stieg wie ein riesiger, glühend-roter Ball am Horizont der weiten Prärie auf. Die saftigen grünen Gräser, schwer vom Tau der Nacht, glitzerten und funkelten, die vielfarbigen prächtigen Blumenkelche öffneten sich, und die klare Morgenluft war erfüllt von dem Schwirren, Singen und Jubilieren all der vielen Vögel, für die die Prärie Heimat und Lebensraum war.
Delia beugte sich herab, setzte ihren Mops ins Gras. Sie hatte ihn in den letzten Stunden vor sich im Sattel gehalten, weil sein asthmatisches Schnaufen ihr verraten hatte, wie müde und unlustig er geworden war. Aber jetzt tollte er munter hügelauf, hügelab, rollte sich durch das feuchte Gras, als ob er auf diese Weise sein Morgenbad nehmen wollte.
Das Fort wirkte aus der Ferne dunkel und drohend, wie eine uneinnehmbare Festung. Seine Mauern, Türme und Tore, der Wehrgang ringsherum waren aus Baumstämmen errichtet, dem einzigen Baumaterial dieser
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