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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bildung und Aufklärung.
    Es offenbart sich eben dem denkenden Verstande eine innige Beziehung selbst zwischen den äußerlich feindseligsten Gegensätzen, und wie gerade die alles Leben tödtende Gluth der Wüste von einem allweisen Willen gezwungen wird, empor zu steigen und als Leben spendender Wärmestrom den Frühling nach den Polen zu tragen, so hat alles Das, was dem schwachen Auge als zwecklos oder gar schädlich erscheint, eine Bestimmung zu erfüllen, welche den von unserer Erde getragenen Wesen zum Heile gereicht. Keine Schrift ist so deutlich und correct wie diejenige, mit welcher im Buche der Natur der Beweis vom Dasein eines allmächtigen und allliebenden Gottes geführt wird.
    4.
     
    Wald und Feld
     
    »Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz dem Menschen, daß Du Brod aus der Erde bringest und die Bäume des Herrn voll Saftes stehen, die Cedern Libanons, die er gepflanzet hat.«
    David.
     
    Wald und Feld – zwei Worte von unendlicher Bedeutung nicht nur für den Einzelnen, sondern ebenso sehr für die große Gesammtheit der menschlichen Gesellschaft. Mit ihnen treten wir ein in das Reich der organischen Wesen, der mit leichterkennbarem Leben begabten Creaturen, und sehen eine Menge der liebsten und freundlichsten Vorstellungen in uns aufsteigen.
    Waldesduft und Maienluft, Hörnerklang und Vogelsang und all’ jene oft gebrauchten Reime von Flur und Natur, Zelt und Feld, Schall und Nachtigall, Sonne und Wonne klingen uns um das lauschende Ohr; der ernste, religiöse Sinn sieht Christus unter Aehren wandeln, gedenkt seiner Bilder vom Senfkorne, vom Feigenbaume, vom Weinstocke und der Lilien auf dem Felde, welche besser bekleidet sind als Salomo in aller seiner Herrlichkeit, und der erwägende Verstand erblickt in den wogenden Fluren und rauschenden Wäldern eine unerschöpfliche Quelle national-wirthschaftlichen Reichthums.
    Wenn früher gesagt wurde, daß selbst im scheinbar todten Steine der Puls der großen, allgemeinen Bewegung klopfe, so war dieser Puls nur der zarten Empfindung des aufmerksamen Beobachters erkenntlich, während dagegen das organische Leben den wahrnehmenden Sinneswerkzeugen vollständig ungesucht entgegentritt.
    Was aber ist denn eigentlich das, was wir »Leben« nennen?
    Wer vermöchte es wohl, diese Frage zu beantworten! Nur Einer hat es gethan: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben,« und dieser Eine wird von Tausenden verspottet und von Millionen vergöttert, weil die Einen ihn gar nicht und die Anderen ihn nur halb verstanden.
    Die irdische Natur hat nur eine gewisse und beschränkte Anzahl von Grundstoffen oder Elementen aufzuweisen, aus welchen sich alles Bestehende zusammensetzt. Diese Zusammensetzung ist eine unendlich verschiedene und sich immerwährend verändernde, wie die Lehre vom Stoffwechsel deutlich und unwiderlegbar beweist, und geschieht durch nichts Anderes als diejenige Kraft, welche wir »Leben« nennen.
    Nicht jedes andere Wesen besteht auch aus anderen Stoffen, sondern die Verschiedenheit der Zusammensetzung dieser Stoffe ist es, welche die Verschiedenheit der Formen und Gestalten und unzählige Wunder bewirkt, welchen wir gewöhnlich nicht die geringste Beachtung schenken.
    Auf dem gleichen Boden und unter vollständig denselben Verhältnissen wächst die Kiefer, die Eiche, die Rebe, das Getreide, der Schierling; sie nähren sich von denselben Bodenstoffen, athmen in derselben Luft, trinken denselben Thau und wärmen sich in demselben Strahle, und doch bringt das in ihnen waltende Leben im Holze und Harze der Kiefer, in der bitteren Gerbrinde der Eiche, im süßen, berauschenden Safte der Traube, im nährenden Mehle des Roggens, in den heilsamen Eigenschaften der Kräuter und der tödtlichen Wirkung des Giftstrauches so außerordentlich verschiedenartige Erscheinungen hervor. Die Wurzel des Schierlings zeigt dieselben Bestandtheile wie diejenige des Sellerie, und der Kuhbaum, welchem die süßeste und nahrhafteste Pflanzenmilch entfließt, besitzt chemisch ganz dieselben Stoffe, aus welchen der Upasbaum seinen furchtbaren Saft bereitet, in welchen die Malayen die Spitzen ihrer Pfeile tauchen.
    Die Zauberkraft, welche aus Einem und Demselben so Verschiedenes, ja Entgegengesetztes bereitet, liegt schon im Keime des Samenkornes verborgen und beginnt ihre Thätigkeit gleich mit dem ersten Augenblicke der Entwickelung desselben. Wie groß diese Kraft ist, sehen wir nicht nur an der Vergleichung des vollständig ausgewachsenen Baumes

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