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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hundertjährigen Riesenstämmen dahin und hat in Schnitt und Farbe seiner Kleidung der Natur ihr Geheimniß abgelauscht, ihre Geschöpfe durch die Aehnlichkeit ihrer Farbe mit derjenigen des Bodens in liebevollen Schutz zu nehmen.
    Steigen wir empor in die Berge, wo sich die Schluchten und Abhänge mit dunklen, kühnen Tannen bekleiden, durchschreiten wir die sandigen Haidestrecken, über welche sich die unzähligen Heere des Kiefernforstes lagern, wandeln wir unter den magischen Kronen der freundlichen Laubwaldungen, rasten wir im Schatten schlanker Palmen oder wagen wir uns in die gigantische Vegetation am Tsad und den Ufern des Schari, in jedem einzelnen dieser Fälle tritt uns eine bestimmte Aehnlichkeit zwischen den pflanzlichen und den thierischen Formen entgegen, welcher sich auch der Mensch nicht zu entziehen vermag. Obgleich ein freier Sohn des Himmels, ist er doch in gar mancher Beziehung ein Sclave der Erde, welche ihre Fesseln um ihn wirft und ihn knechtet bis zu dem Augenblicke, an welchem er dem Staube das erborgte Kleid zurückerstattet.
    Die Natur kennt eben keine Bevorrechtung; was in ihre Reiche gehört, muß sich ihren Gesetzen beugen und sich ihr unterthan erkennen und erklären. Diese Gesetze sind ewig dieselben und trotz einer durch Jahrmillionen fortschreitenden Entwickelung auf ewig vollständig und lückenlos. Unter ihrem Befehle bildet die Schöpfung ein engverbundenes, zusammengehöriges Ganze, zu welchem ohne Ausnahme alle Gestaltungen von der niedrigsten Materie bis zur höchsten geistigen Form gehören, um sich gegenseitig zu berühren, zu beeinflussen und dadurch der Stufenleiter der erschaffenen Wesen immer neue Sprossen anzufügen.
    Diese Wechselbeziehung ist es, welche dem anscheinend Todten Seele, Leben und Bewegung verleiht und jene Verwandtschaft begründet, welche die stolze Vermessenheit des Menschen demüthigt, indem sie ihm an jedem einzelnen Körper, in jeder beliebigen Naturerscheinung, Stoffe und Vorgänge zur Anschauung bringt, aus denen auch er besteht und die sich auch an ihm selbst vollziehen.
    Zwar sträubt er sich mit aller Macht und Anstrengung, mit der Reihe des unter ihm Stehenden ins Glied zu treten, aber die unerbittliche und unbestechliche Wissenschaft entreißt ihm ein Vorurtheil nach dem anderen, entkleidet die Legenden, welche seinem Selbstgefühle schmeichelten, ihres Heiligenscheines und zwingt ihn, die heilsame Arznei der Wahrheit zu trinken, um zu einer gesunden, irrthumsfreien Welt-und Lebensanschauung zu gelangen. Er lacht der Zumuthung, im Gorilla, Orang-Utang oder Chimpanse seinen Urgroßvater zu erkennen, und doch ist er aus nichts Anderem gemacht und gestaltet worden, als aus den Elementen, aus welchen auch der Stein, die Pflanze, das Thier zusammengesetzt wurde. All’ seine sogenannten Vorzüge verdankt er einer in ihm vollzogenen Entfaltung der in den vorhergehenden Wesensordnungen schlummernden Kräfte und Fähigkeiten, und wie sein Leib nichts Anderes als nur eine Veredelung des thierischen Körpers ist, so läßt sich die in ihm thätige seelische und geistige Kraft in absteigender Folge und allerdings auch mit abnehmender Deutlichkeit an der ganzen Reihenfolge der erschaffenen Wesen nachweisen.
    Dieser Nachweis ist bei den Thieren bis hinunter zu den niedrigsten Arten ohne Schwierigkeit zu führen. Nicht so leicht fällt er bei den Pflanzen, ja es giebt gewiß sehr Viele, welche bei dem Worte »Pflanzenseele« mit verwundertem Lächeln den Kopf schütteln würden. Und doch läßt sich ein organisches Leben nicht ohne irgend eine geistige Potenz denken, durch welche eine Existenz eben erst zu einer organischen wird. Natürlich kann hier von einer freien Verstandes- und Willensthätigkeit, wie wir sie noch bei den Thieren finden, nicht die Rede sein, sondern die Thätigkeit der Pflanzenseele wäre nur in den allerelementarsten Aeußerungen zu suchen.
    Etwas Derartiges müssen wir schon dem Keime des Samenkornes zusprechen. Bedeutend deutlicher zeigt sich die Spur eines seelischen Lebens in dem sogenannten Schlafe der Pflanzen, welcher besonders bei den Leguminosen oder Hülsenfrüchten beobachtet wird. Sie scheinen, gleich den Thieren, bei einbrechender Nacht in Schlaf zu fallen, verschließen ihre Blumenkelche, legen ihre Blätter zusammen und erwachen nicht eher wieder, als bis die Strahlen der Morgensonne auf sie fallen. Aber wie unter den Thieren viele des Tages ruhen und erst in der Nacht herumschwärmen, so sind auch andere Pflanzen im

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