Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
aber freilich, Einzelfällen, wie beispielsweise dem hier geschilderten, bin ich doch auch in meiner Jugend schon begegnet.
    Die Elbfahrt von Magdeburg nach Hamburg ist langweilig; nur bei Tangermünde, wo Reste einer aus den Tagen Karls IV. herstammenden Burg aufragen, belebt sich das Bild ein wenig. Gegen Mitternacht trafen wir in Hamburg ein, begaben uns an Bord eines alten Dampfers, des »Monarch«, wo wir uns auf den in den Kabinen umherliegenden Pferdehaarkissen ausstreckten und ermüdet einschliefen. Aber freilich nicht lange. Schon als es eben erst dämmerte, wurde es über uns lebendig, und kaum daß die Sonne da war, so setzte sich unser Dampfer auch schon in Bewegung und glitt den schönen Strom – denn von hier an wird er schön – hinunter. Wir Passagiere schritten derweilen auf Deck auf und ab. Der »Monarch«, ursprünglich ein schönes, feines Schiff, war schon seit einer ganzen Reihe von Jahren nur noch Transportdampfer für Hammel und hatte nur für dies eine Mal – ich weiß nicht, um sich oder uns zu ehren – seine Fracht wieder gewechselt. Als wir Cuxhaven zur Seite hatten, wurde das zweite Frühstück genommen; ich war rasch damit fertig und begab mich wieder auf Deck, um von der Szenerie nichts zu verlieren. Und hier auf Deck, auf einem Berg zusammengerollter Taue sitzend, sog ich jetzt die heranwehende Seeluft ein. Ein Gefühl hohen Glückes überkam mich, und ich erschien mir minutenlang unendlich bevorzugt und beneidenswert; aber freilich, inmitten meines Glückes, wurde ich mir doch auch plötzlich wieder der erdrückenden Kleinheit meiner Lage bewußt. Ich war in jedem Augenblicke nicht bloß abhängig von der Guttat eines anderen, ich war auch, außerdem noch, sehr sonderbar ausgerüstet für ein Auftreten in der ersten und reichsten Stadt der Welt. Gepäck existierte für mich nicht, nicht Plaid, nicht Reisedecke; mein Beinkleid war eine Militär-Kommißhose mit der roten Biese daran, und ein kleines braunes Röckchen, das ich trug, hatte mich nicht bloß gegen alle Witterungsunbilden zu schützen, sondern auch noch für meine Repräsentation in »Albion« zu sorgen. Und dazu nichts als das »Billet«! So froh ich war, es zu haben, so konnt’ es doch am Ende nicht für alles aufkommen. Ich litt ernstlich unter meiner sehr prekären Geldlage. Was ich von Geld hatte, hatte ich in meinen zwei Hosentaschen untergebracht, rechts einen Taler und einige kleinere Silberstücke, links einen in ein Stückchen Papier gewickelten Doppellouisdor. Woher dieser eigentlich stammte, weiß ich nicht mehr. Es war einer von jenen Halbkupferfarbnen, wie sie damals, etwas minderwertig, in einigen Kleinstaaten geprägt wurden, und ich sehe noch ganz deutlich das großgenaste Profil von Serenissimus vor mir, wiewohl ich nicht mehr angeben kann, welchem deutschen Landesteile, vielleicht seitdem schon verschwunden, er angehörte. Dieser feuerrötliche Doppellouisdor brannte mich ordentlich, und ich schämte mich seiner, weil ich ihn nicht für voll, ja beinah für falsch ansah. Aber, wie gleich hier bemerkt sein mag, alles sehr mit Unrecht; er war vielmehr umgekehrt dazu bestimmt, mir in einem schweren Momente, wenn nicht geradezu Rettung – die Benötigung dazu trat Gott sei Dank nicht ein –, so doch in meinem Gefühl eine große moralische Stütze zu gewähren.
    Ohne Zwischenfälle machten wir die Fahrt; schon am anderen Morgen wurde die englische Küste sichtbar, ich glaube Yarmouth, und um vier Uhr nachmittags, nachdem wir ein paar Stunden vorher Sheerneß passiert hatten, warfen wir Anker in Nähe der Londonbrücke. Boote kamen heran, und alles drängte der Falltreppe zu, um sich, gleich unter den ersten, einen Platz zu sichern. Unter diesen sich Vordrängenden war auch mein Freund Scherz. Ich, von Jugend an ein abgeschworener Feind aller Ellbogenmanöver, hielt mich, wie stets so auch hier, wieder zurück und war unter denen, die das letzte Boot bestiegen. Am Ufer sahen wir uns von einigen, sehr wahrscheinlich an dem ganzen Reiseversuchsunternehmen geschäftlich beteiligten Herren freundlich empfangen und in ein benachbartes großes Hotel geleitet. Dies Hotel hieß das »Adelaïde-Hotel« und ragte an einer freien Stelle, dicht neben der Londonbrücke, auf. Drei oder vier Treppen hoch sahen wir uns in einer Anzahl kleiner Zimmer untergebracht. Alles gefiel mir, und nur das eine gefiel mir nicht, daß mein Freund Scherz, samt der ganzen Besatzung des ersten Bootes, nicht aufzufinden war. »Sie

Weitere Kostenlose Bücher