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Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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und neugierig auf das dicht neben uns laufende weite Blachfeld hinaustretend, sahen wir von fern her eine Kavalkade herankommen, allen vorauf drei Reiter, von denen zwei die helleuchtenden roten Röcke der englischen Militärs trugen, während zwischen ihnen, in fremdländischer Uniform, eine mächtige, die beiden andern weit überragende Gestalt einhersprengte. Sie kamen von einer Revue, die weiter hinauf stattgefunden haben mochte. Jetzt aber waren sie heran, und auf ganz kurze Distanz sahen wir sie an uns vorüberstürmen. Die beiden links und rechts waren Prinz Albert und der Herzog von Cambridge, zwischen ihnen aber ragte Zar Nikolaus auf, in allem das Bild der Macht, der ungeheuren Überlegenheit, die großen Augen ernst und doch auch wieder nicht ohne Wohlwollen auf uns arme, ihm salutierende Kerle gerichtet. An der oberen Seite des Feldes aber, da, von wo die Reiter herkamen, wurden jetzt, in breiter Front, die Coldstream- und schottischen Füsilier-Garden sichtbar, dieselben Bataillone, die zehn Jahre später den »Redan« vor Sebastopol erstürmten und das ihre dazu beitrugen, das stolze Leben des damaligen europäischen Machthabers vor der Zeit zu brechen.
    Das war in Windsor. An einem anderen Nachmittage war ich in Hampton-Court . Ich hatte auch da eine Begegnung, freilich nur mit einem Porträt, weiß aber nicht, ob nicht die von diesem Bildnis empfangene Wirkung vielleicht noch größer war als die, die Nikolaus auf mich ausgeübt hatte. Hampton-Court, Lieblingsaufenthalt Heinrichs VIII., ist – was Bilder angeht – das große historische Tudor-Museum des Landes, und alles, was man da sieht, stammt aus der Zeit des englischen Königs Blaubart und seiner Tochter Elisabeth. Holbein ist kaum irgendwo so reich vertreten wie gerade hier. Auch in Landschaften, Seestücken und Seeschlachten. Aber alles das war vergleichsweise nichts. Da, dicht neben einem alten Elisabethbilde – die »Virgin-Queen« in einem orientalischen Phantasiekostüm – , hing ein kleines, nur etwa drei Hand breites Bildnis der Maria Stuart . Name des Malers unbekannt. Ein eigentümlich schwermütiger und, ohne schön zu sein, ungemein anziehender Nonnenkopf – ebenso Tracht und Kopfbekleidung ganz nach Art einer Konventualin. Wenn es ein Bildnis der Maria Stuart ist, kann es nur aus der Zeit stammen, wo sie, die Königin, vor ihrer Verheiratung mit Franz Valois, in einem französischen Kloster erzogen wurde. Dies allerlei Bedenken umschließende »Wenn« stammt aber, soweit meine Person mitspricht, aus viel späterer Zeit. Damals drückten mich noch keine derartigen Zweifel; ich nahm vielmehr umgekehrt in meiner Schwärmerei für die schöne Königin – eine Schwärmerei, von der ich übrigens, wie von mancher anderen, etwas zurückgekommen bin – alles begierig auf Treu und Glauben hin und war ganz wie benommen davon, diese »Holdselige« wenigstens im Bilde gesehen zu haben.
    Ich will hier auch noch von einem dritten Nachmittagsausflug sprechen, der sich freilich in bescheidenerer Sphäre hielt und nichts von historischem Hintergrund hatte. Die Sache nahm folgenden Verlauf. Ich hatte mich, wie das mehr als einmal vorkam, von meinen Reisegefährten getrennt und aß, statt mich einer Partie nach Woolwich anzuschließen, in meinem Adelaide-Hotel mit an der Table d’hôte. Table d’hote ist aber nicht ganz das richtige Wort; es war vielmehr ein Stammtisch, höchstens zehn Personen, die beinah freundschaftlich miteinander verkehrten. Sie zogen mich mit ins Gespräch und amüsierten sich, ich muß das hier sagen, über die Geschicklichkeit, mit der ich mich, ohne recht englisch sprechen zu können, doch durchradebrechte. Besonders einer, ein stattlicher Herr von etwa fünfzig, nahm sichtlich ein Interesse daran, und ehe wir aufstanden, lud er mich ein, ihn auf seine Landvilla zu begleiten. »Sie sind morgen zu guter Zeit wieder hier.« Ich hatte denn auch keine Bedenken. Es war halber Weg nach Brighton – ich glaube, der Platz hieß Anerley-Station –, und in einer guten halben Stunde, es mochte mittlerweile sieben geworden sein, waren wir da. Von der Station bis zur Villa waren keine dreihundert Schritt. In dem drawing-room fand ich die Familie versammelt und wurde vorgestellt. Keine Spur von Verlegenheit war wahrzunehmen, nichts von Wirtschaftsschreck. In unserem guten Berlin, wenn solcher Überfall stattfindet, ist es, innerhalb der gesellschaftlichen Mittelsphäre, nur ganz wenigen gegeben, Kontenance zu bewahren. Man wolle

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