Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
erschien die Gräfin auf ihrem Balkon, anscheinend um nach dem Wetter, in Wahrheit aber um nach den jungen Damen zu sehen, und wenn dann diese sich erhoben, um ihren Respekt zu bezeugen, so nickte sie beiden ihren Morgengruß zu, bevor sie sich wieder in ihre Zimmer oder am liebsten auf einen nach hinten zu gelegenen Gartenbalkon zurückzog.
Aber dabei blieb es.
»Es wird nicht viel«, sagte Phemi, die sich über dies Halbverhältnis ärgerte. »Wir kommen nicht von der Stelle mit ihr, und am Ende wär’ es besser gewesen, wenigstens für mich, Graf Egon hätte mir dies Öslauer Idyll und die Ruhe meiner Seele nicht gestört. Ach, es war so still hier, Franziska, so konflikt- und tragödienlos, und wenn ich vielleicht doch noch Medea war, so war es Medea während der Freundschaftsschließung mit Kreusa, die Zeit vor der Eifersucht und den unliebsamen Gefühlen überhaupt. Wirklich, ich war, wie Fridolin in der Ballade, so sanft und rein und natürlich auch glücklich, aber seitdem dieser Maledetto von Egon hier war, ist eine totale Gemütsveränderung mit mir vorgegangen. Ich habe meine Fridolinrolle vertauscht und könnte mich jeden Augenblick ans Spinnrad setzen. Meine Ruh’ ist hin, mein Herz ist schwer. Wirklich, Schatz, ich werde täglich nervöser, und wenn nicht bald etwas geschieht, so reis’ ich ab.«
»Ich weiß, du wirst bleiben, Phemi; du hast ein Zeugnis auf Molkenkur und mußt nun aushalten. Alles straft sich und am meisten das Lügen… Aber da kommt ja der lange Sepp von drüben, und wenn ich sein Zwinkern und seine Wichtigkeit recht verstehe, so bringt er uns eine Botschaft.«
Und wirklich, er kam von der Gräfin und übergab ein an Franziska gerichtetes Billett. Es lautete:
»Vielleicht ist es den Damen genehm, an einer Partie teilzunehmen, die wir heute nachmittag in die Berge machen wollen. Mein Neffe Egon und mit ihm der junge Graf Pejevics, der Fräulein Phemi zu kennen vorgibt, sind mit dem letzten Bahnzuge hier angekommen und rechnen auf ein ja der beiden Damen. Am meisten aber Ihre Judith v. G.«
Eine kurze Nachschrift, in der es hieß: »Nicht später als drei«, war hinzugefügt, und der Bote brachte die Nachricht zurück, daß sich beide Damen zu festgesetzter Stunde die Ehre geben würden.
Und wirklich um Punkt drei schritten sie dem »König von Ungarn« zu, vor dessen Freitreppe der heute jeder Galavorrichtung entkleidete Hotelwagen bereits hielt. Auch die Gräfin war schon da, stellte die Herren und Damen einander vor, trotzdem diese sich von kurz oder lang her bereits kannten, und bat, als sie dessen gewahr wurde, ihrer Zerstreutheit halber um Entschuldigung. Endlich aber wandte man sich der wichtigen Frage zu, wie hinsichtlich des Gehens und Fahrens die Rollen zu verteilen seien, und entschied sich nach längerer Debatte dahin, daß die Gräfin und Graf Egon in der Serpentine den Berg hinauffahren, die beiden Damen aber in Begleitung von Graf Pejevics einen näheren Fußweg einschlagen sollten. Oben auf dem Berge werde man sich dann ziemlich a tempo treffen. Und nun trennte man sich, und die wenigstens auf Augenblicke noch zurückbleibende Jugend sah dem mit Egon und der alten Gräfin langsam dahinfahrenden Wagen nach.
»Ich sollte nun wohl Ihren Führer machen«, hob Graf Pejevics an, »aber obschon Generalstäbler, erkenn’ ich mich doch unfähig dazu. Sie müssen helfen, meine Damen, und mir die nötigen Direktiven geben. Ein ganz besonderes Vertrauen aber hab’ ich zu der Strategie von Fräulein Phemi La Grange.«
Phemi war es zufrieden und schlug vor, einen etwas abseits gelegenen Zickzackweg zu benützen, einmal, weil es dabei was Tüchtiges zu steigen und zu klettern gebe, was doch immer die Hauptsache bleibe, vor allem aber, weil man vorher einen großen Wiesengrund, einen vollkommenen Wurstelprater, zu passieren habe, bei dessen Anblick man sich mal wieder wienerisch fühlen, ja vielleicht sogar ein paar Kolleginnen in ihren Geheimnissen der Kunst und des Lebens belauschen könne.
Niemand widersprach, und so traten sie denn aus einem bloß aus Remisen und Stallgebäuden bestehenden Gäßchen, das sich dicht hinter dem Hotel hinzog, auf einen ansteigenden Ackerstreifen hinaus und wurden hier alsbald einer querlaufenden Senkung gewahr, in der sich ein Schützenplatz etabliert hatte. Die Schützen ihrerseits waren auch schon fleißig am Werk, aber das anderweite Fest- und Jahrmarkttreiben ruhte noch oder befand sich doch höchstens in einer verschwiegenen
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