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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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einen älteren Mann, der ganz allein war. Er wirkte krank, nahm irgendwelche Medizin und saß auf einem Falthocker im Schatten. Ich sprach mit ihm.«
    »Medizin?« Turcianus Opimus.
    »Irgendwas Starkes«, sagte Lampon mit leichtem Neidgefühl. »Er schaute verträumt in die Gegend. Vielleicht hatte er ein paar Schlucke zu viel genommen. Ich erwähnte, dass ich das Mädchen mit jemandem gesehen hatte. Er lächelte viel und nickte. Ich weiß nicht, was er damit angefangen hat.«
    »Anscheinend nichts. Aber Sie konnten dadurch Ihr Gewissen erleichtern … Erzählen Sie mir von Valeria und dem Mann. Was haben sie gemacht, als Sie die beiden sahen? Führten sie irgendwas im Schilde?«
    »Nichts von der Art. Er begleitete sie in das Gebäude, als hätte er ihr nur den Weg zeigen wollen.«
    »Sah sie besorgt aus?«
    »Nein, nein. Milon und ich verließen die Palästra, als ich sie sah, und ich wollte nur was zu trinken, nicht stundenlang lesen. Wir waren draußen, und es war ziemlich dunkel. Ich packte Milon und zog ihn in eine andere Richtung, bevor er sie entdecken konnte.« Und überließ Valeria ihrem Schicksal.
    »Sie hatten keinen Grund zu der Annahme, dass Valeria die Palästra gegen ihren Willen betrat?«
    »Nein. Na ja«, fügte Lampon hinzu, »sie dachte, sie würde uns dort vorfinden.«
    »Wenn Sie geglaubt hätten, sie wäre in Schwierigkeiten, hätten Sie dann Milon darauf aufmerksam gemacht?«
    »Ja«, erwiderte Lampon mit der Unzuverlässigkeit eines Dichters.
    Ich atmete tief durch. »Und wer war dieser Mann bei ihr? Kennen Sie ihn?«
    Das war der Moment, in dem der Dichter mich enttäuschte, wie Dichter das eben tun. Sein Kopf war angefüllt von Schafhirten und mystischen Helden; wenn es um moderne Gesichter oder Namen ging, war er nutzlos. Als ich ihn bat, mir eine Beschreibung zu geben, brachte er nur einen Mann in den Vierzigern oder Fünfzigern zustande, stabil gebaut, bekleidet mit einer langärmeligen Tunika. Er konnte sich nicht erinnern, ob der Mann Haare hatte oder kahlköpfig war, wie groß er war oder welche Farbe die Tunika gehabt hatte.
    »Sie haben Statianus hier gesehen, nehme ich an?«
    »Ja. Ich war total erschrocken, als er auftauchte. Ich dachte, er sei hinter mir her …«
    »Der arme Kerl will nur die Wahrheit erfahren. War er der Mann in Olympia?«
    »Eindeutig nicht.«
    »Würden Sie den Mann wiedererkennen?«
    »Nein. Ich hab’s nicht so mit den alten Hasen.«
    »Alte Hasen?«
    »Ich nahm an, dass er auf diese Weise Zugang zur Palästra bekam – er sah aus wie ein ehemaliger Boxer oder Pankrationkämpfer, Falco. Hab ich das nicht erwähnt?«
    »Dieses verräterische Detail haben Sie ausgelassen.« Ein Detail, das nicht nur Statianus entlastete, sondern auch alle anderen Männer aus der Reisegruppe. Nun ja, bis auf einen. »Kennen Sie Phineus, den Leiter von Sieben-Stätten-Reisen?«
    »Ich glaube, ich habe von ihm gehört.«
    »Aber Sie kennen ihn nicht vom Sehen?«
    »Nein.«
    »Tja, er ist ein Mann von kräftigem Körperbau, der seine Vergangenheit verbirgt, also könnte er durchaus Sportler gewesen sein – und ihm fehlen Zähne. Lampon, Sie müssen mit mir nach Korinth kommen, wenn ich hier fertig bin, und uns sagen, ob Sie Phineus schon mal gesehen haben.«
    »Korinth?« Lampon war ein echter Dichter. »Wer bezahlt mir die Überfahrt?«
    »Der Quästor der Provinz. Und wenn Sie verschwinden oder Ihre Aussage vermasseln, ist er der Mann, der Sie in eine Zelle sperrt.«
    Lampon betrachtete mich mit verängstigtem Blick. »Ich kann nicht vor Gericht erscheinen, Falco. Die Anwälte würde mich völlig fertigmachen. Ich breche zusammen, wenn man mich anbrüllt.«
    Ich seufzte.
     
    XLIV
    Lampon war grün um die Nase, erklärte sich aber bereit, Anordnungen zu folgen. Er gab mir einen weiteren Hinweis. Laut ihm absolvierte Statianus seine Läufe nicht nur im Gymnasion, sondern kletterte auch gern zum offiziellen Stadion hinauf. Das Stadion lag so hoch wie nur irgend möglich, über dem Heiligtum des Apollon, wo die Luft noch dünner und die Aussicht atemberaubend war. Man hatte Statianus sagen hören, er gehe dort hin, um allein zu sein und nachzudenken.
    Mit der Wegbeschreibung des Dichters (die ich, da er Dichter war, mir unterwegs von Passanten bestätigen ließ) ging ich an der Laufbahn entlang zurück zur Quelle der Kastilia, dann ins Heiligtum und hinter dem Theater einen schmalen Pfad hinauf. Der Anstieg war steil, und ich kam mir rasch fern von allem vor. Ein Mann, der

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