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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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banal klingen ließ. »Ich lebe inzwischen in Griechenland. Ich habe ein Haus in Athen, besuche aber gerne erneut die heiligen Stätten.«
    »Genießen Sie es, schlechte Fremdenführer abzuweisen?«
    »Ich beachte sie nicht. Ich kommuniziere mit den Göttern.« Es gelang mir, nicht zu stöhnen.
    »Sie müssen eine Frau ohne Bindungen sein.« Verwandte würden sie einsperren.
    »Ich bin gern allein.« Große Götter, sie hatte tatsächlich die Lebensweise der Eingeborenen angenommen. Zweifellos aß sie nur Honig, wenn er vom Hymettos kam, und hegte zwanghafte Theorien über die Zutaten selbstgepantschter Ambrosia …
    »Eine nach Achaea Übergelaufene?« Ich deutete auf die Landschaft. »Wenn es überall so schön wäre wie hier, würden wir alle auswandern …«
    Schlagartig hatte sie die Nase voll von mir. »Oberflächliches Geschwätz mag ich nicht, Falco.«
    »Gut.« Sie langweilte mich sowieso. »Geradeheraus gefragt: Wenn Sie oben beim Stadion waren, haben Sie dort einen Mann beim Lauftraining gesehen? Einen trauernden Mann, der dort Trost sucht, um mit seinem Kummer fertig zu werden?«
    »Ich habe niemanden gesehen … Darf ich bitte vorbei?«
    »Nur noch einen Augenblick. Wir sind uns schon in Korinth begegnet. Jetzt sind Sie hier. Haben Ihre kürzlich gemachten Reisen Sie auch nach Olympia geführt?«
    »Olympia gefällt mir nicht. Ich war nicht dort.« Nie? Sie musste dort gewesen sein, um zu beschließen, dass ihr der Ort nicht gefiel.
    Instinkt ließ mich weiterbohren. »Der Mann, den ich suche, hat in Olympia seine junge Frau verloren – unter schrecklichen Umständen ermordet. Das Paar war erst seit kurzem verheiratet. Sie war nur neunzehn Jahre alt. Das Erlebnis hat auch ihn zerstört.«
    Philomela runzelte die Stirn. Sie senkte die Stimme und sprach weniger traumverloren als sonst. »Sie müssen sich wohl Sorgen um ihn machen.« Fast ohne Pause fügte sie hinzu: »Ich kann Ihnen dabei nicht helfen.«
    Ich machte eine bedauernde Geste, trat dann höflich vom Pfad und gab ihr den Weg frei. Mit dem Klirren billiger Armreifen und von dem Duft einfachen Rosmarinöls eingehüllt, ging sie an mir vorbei.
    Sie schaute zurück, das Kinn gehoben, als wollte sie noch etwas Bedeutsames sagen. Dann schien sie ihre Meinung zu ändern. Sie sah, dass ich weiter zum Stadion hinaufgehen wollte, und schimpfte: »Ich sagte Ihnen doch, dass ich niemanden gesehen habe. Da oben ist keiner.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Vielen Dank. Ich muss mich selber davon überzeugen.« Ich trat auf den Pfad zurück und hob grüßend die Hand. »Bis wir uns wiedersehen.«
    Ihr Blick verhärtete sich zu einem
Nicht, wenn ich es verhindern kann
. Aber ich war mir sicher, dass es geschehen würde. Ich glaube nicht an Zufälle.
     
    Ich ging weiter bis zum Stadion, das ich gleich darauf erreichte.
    Jeder, der gerne lief, würde es genießen, hier zu laufen. Das Stadion von Delphi schien auf der Türschwelle der Götter zu liegen. Die Drecksäcke waren oben im blauen Himmel, lagen auf ihre Ellbogen gestützt da und lächelten über die anstrengenden Aktionen winziger menschlicher Wesen … Ich konnte nicht anders und zeigte den Göttern den Stinkefinger.
    Eine Standard-Laufbahn war aus den Felsen gehauen worden, mit groben Erdtribünen für die Zuschauer und einer langen Steinbank für die Wettkampfrichter. Steinerne Startschwellen waren eingelassen worden, ähnlich der, die mir Glaucus in Olympia gezeigt hatte. Das Stadion schrie nach einem großen römischen Wohltäter, der ordentliche Sitzreihen einbauen ließ, aber so heruntergekommen, wie Delphi heutzutage war, würde dazu jemand nötig sein, der tapfer genug war, Griechenland und die griechischen Ideale sehr zu lieben. Vespasian war ein großzügiger Kaiser, doch er war auf Neros peinliche Griechenlandtour mitgeschleift worden und würde schlechte Erinnerungen daran haben.
    Niemand war zu sehen. Hier oben über dem Gipfel kreisten Adler und Bussarde gemächlich, gaben aber keine guten Zeugen ab. Man konnte sich nirgends verstecken. Statianus war nicht da, und ich schätzte, dass er vermutlich heute nicht hier gewesen war. Das war schlimm genug. Doch wenn er wirklich unschuldig war, dann war jemand anders schuldig. Phineus saß in Korinth hinter Schloss und Riegel, aber vielleicht lief ein anderer Mörder noch frei herum. Tullius Statianus konnte jetzt zur Zielscheibe geworden sein. Ich musste herausfinden, wohin er verschwunden war – und ich musste ihn als Erster

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