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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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    XLVI
    Wir brauchten drei Tage, um nützliche Informationen zu bekommen. Das waren drei Tage zu viel.
    Nachdem ich das Stadion überprüft hatte, kehrte ich schnell zum Heiligtum zurück. Ich fand Helena in dem Gebäude, das Lesche genannt wurde, wo sie sich die Kunstwerke anschaute. Ohne einen Blick auf die berühmten Wandmalereien zu werfen, holte ich sie dort raus. Sie sah meinem Gesicht an, dass etwas nicht stimmte. Ich erklärte es ihr auf dem Rückweg zur Stadt.
    Wir begaben uns direkt zu dem Gasthaus, in dem Statianus untergekommen war. Ich wandte mich wütend an den Wirt, der darauf beharrte, Statianus wohne immer noch bei ihm. Er zeigte uns sogar das Zimmer. Tatsächlich war das Gepäck noch da. Das reichte dem Wirt. Solange ihm etwas blieb, das er verkaufen konnte, war es ihm egal, ob sich der Gast aus dem Staub gemacht hatte. Wir versuchten daran zu glauben, dass er recht hatte. Statianus würde wieder auftauchen.
    Ohne jeden anderen Hinweis verbrachten wir die nächsten drei Tage damit, die Stadt und das Heiligtum zu durchsuchen. Niemand hatte gesehen, wie Statianus Delphi verließ – falls er das getan hatte. Jedenfalls hatte er sich kein Maultier oder einen Esel aus einem der normalen Mietställe geholt. Ich ging zum Meer hinunter, aber soweit ich in Erfahrung bringen konnte, hatte er kein Schiff bestiegen. In den paar Tagen kehrte er nicht ins Gymnasion zurück – und er kehrte auch nicht in seine Unterkunft zurück. Er musste irgendwohin gegangen sein, mit sehr leichtem Gepäck, zu Fuß.
    Wir verloren drei Tage, und ich wusste bereits, dass es ein entscheidender Fehler sein könnte. Ich marschierte zurück zu der üblen Bruchbude, in der Statianus kummervolle Wochen verbracht hatte. Ich ließ den Wirt wissen, dass er in Schwierigkeiten sei, Schwierigkeiten, die sich auf sein Geschäft und seine Gesundheit auswirken könnten. Ich trug dick auf, erwähnte den Statthalter, den Quästor und den Kaiser, beschrieb Vespasian als jemanden, der ein persönliches Interesse daran nehmen würde. Das war ein bisschen übertrieben, aber ein römischer Bürger in einer ausländischen Provinz sollte doch die Hoffnung haben, dass sein Schicksal eine Rolle spielte. Vespasian würde Mitgefühl mit Statianus haben – im Prinzip.
    Schließlich steckte meine Dringlichkeit den Wirt an. Abgesehen von seinem Staunen über meine hochrangigen Kontakte, stellte sich heraus, dass Statianus ihm Miete schuldig war. Bei genauerem Hinsehen war das Gepäck, das der Wirt beschlagnahmt hatte, weniger wert, als er gedacht hatte. Er wusste, was es normalerweise bedeutete, einen Mieter tagelang nicht zu Gesicht zu bekommen. Plötzlich wollte er mir helfen.
    Er ließ mich ein, und ich durchsuchte das Zimmer erneut. Nach den wenigen Dingen hier zu schätzen, musste Statianus eine Menge Zeug in Korinth gelassen haben. Ein Mann auf seiner Hochzeitsreise würde sehr viel mehr Gepäck dabeihaben. Für Delphi hatte er nur das Notwendigste eingepackt und sich nun selbst davon entledigt. Geld oder andere Wertsachen waren nicht dabei. Ich hatte auf ein Reisetagebuch gehofft, aber er führte keines. Abgesehen von dem Mantel, den ich ihn hatte tragen sehen, schätzte der Wirt, dass alles, was der junge Mann mitgebracht hatte, noch hier war. Das ließ nichts Gutes ahnen. Wenn Statianus abgehauen war, legte er keinen Wert mehr auf Bequemlichkeit oder Aussehen. Er war verzweifelt. Er würde höchstwahrscheinlich etwas Dämliches machen.
    Er hatte sogar seine Andenken zurückgelassen. Eingewickelt in ein Tuch, fand ich einen Frauenring. Zweifellos Valerias. Ein hübscher Goldring, vermutlich in Griechenland gekauft, da er ein eckiges griechisches Mäandermuster hatte. Vielleicht hatte er ihr den Ring geschenkt.
    Dann fand ich noch etwas. Flach auf den Boden seiner Lederpacktasche gedrückt, wo es vor Stößen sicher sein würde, lag ein bescheidenes Stück Pergament. Zuerst hielt ich es für Abfall, da es auf der einen Seite mit einer Liste bekritzelt war. Aber ich hätte es besser wissen sollen. Als ich noch ein bitterarmer Privatschnüffler war, in meiner gemieteten Bruchbude an der Brunnenpromenade, hatte ich alles, von altem Fischeinwickelmaterial bis zu meinen eigenen Gedichtentwürfen, zum Schreiben benutzt. Diese Liste war auf ihrer Rückseite von einem Straßenmaler wiederverwendet worden.
    Einen erregten Augenblick lang dachte ich, der Bräutigam habe Hinweise hinterlassen. Die Zeichnung war keine Hilfe dieser Art – doch

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