Delphi sehen und sterben
Regen unter. Einige waren jung, viele älter, alt genug, um es besser zu wissen. Alle hatten bisher einen phantastischen Abend verbracht. Sie waren auf mehr aus. »Dürfen wir reinkommen?«, wollte ihr grässlicher Anführer wissen. Zum Glück besaß er die formelle Höflichkeit der stark Betrunkenen. Ob es uns gelang, ihn abzuwimmeln, blieb fraglich.
Rasches Denken gab mir eine Entgegnung ein. »Leider nicht – wir haben schlafende Kinder dabei.«
Helena und ich hatten uns aufgebaut wie die wenigen an den Thermopylen, bereit, die Stellung bis in den Tod zu halten. Wir weigerten uns, dieser bunten Invasionshorde nachzugeben, obwohl sie entschlossen schien, uns zu überwältigen. Unter dem Balkondach wehte der Regen herein, und wir wurden klatschnass. Auch meine Füße standen im Wasser.
Minas von Karystos gab eine seltsame Figur ab. Er war klein, ältlich und aufgekratzt, wie ein Großvater, der seinen Enkel mit ins Stadion nimmt. Er trug eine lange grellbunte Tunika mit einem sechs Zoll breiten bestickten Rand, in dem Edelmetall aufblitzte. Unter einem exakt plazierten Blumenkranz hing graues Haar in nassen Strähnen herab.
»Minas von Karystos, ich habe viel von Ihrem Ansehen und Ihrem Ruf gehört. Ich bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen …«
»Kommen Sie runter, Falco!«
»Wenn du gehst, lass ich mich scheiden!«, zischte Helena. Eingeschüchtert blieb ich, wo ich war.
»Dann wimmel du ihn doch ab!«
»Wie soll ich? Lass sie ja nicht raufkommen, Marcus.«
»Wenn doch, machen wir Folgendes: Wir lassen die Jungs und das Gepäck sausen. Wir hauen einfach ab und verschwinden wie der Blitz. Flitzen zum Hafen und nehmen das erstbeste Schiff … Minas, es ist schon sehr spät, und meine Frau braucht Ruhe …«
»Ja, ja, immer der Frau die Schuld geben!«
»Sie ist schwanger …«
»Keine Chance auf dieser Reise!«
»Falco, Sie sind ein Held, machen viele Kinder!«
Oh, ihr Götter!
Ich sah, dass Aulus entsetzt das Gesicht verbarg. Ich drohte ihm mit dem Finger und ließ ihn so wissen, wer hierfür die Schuld bekam.
»Ihr Römer seid alle so streng! Werden Sie locker! Machen Sie sich frei! Sie sollten lernen, wie man lebt, Falco!« Warum sind Betrunkene so unangenehm selbstgerecht? Und ausländische noch so abscheulich viel mehr? Wenn wir einen Haufen Griechen beleidigen würden, die nur in Ruhe schlafen wollten, würde das einen internationalen Zwischenfall verursachen. Der Statthalter würde Aquillius Macer schicken, um uns nach Hause zu verfrachten, weil wir die Stabilität der Provinz in Gefahr gebracht hatten. Aber Minas konnte so grob sein, wie er wollte, und war nicht aufzuhalten. »Lernen Sie, Spaß zu haben wie ein befreiter Grieche! Kommen Sie zu uns herunter. Wir haben Wein, wir haben vorzüglichen Wein dabei …«
Plötzlich gab er auf. Da er spürte, dass sich hier nichts Unterhaltsames tun würde, war er begierig darauf, zum nächsten Fest weiterzuziehen. »Ah, dann werden wir Ihnen morgen zeigen, wie man Spaß hat, Falco! Ich habe einen Plan, ich habe einen aufregenden Plan – ich habe Neuigkeiten!«, rief er aus, als ihm verspätet der Grund für seinen nächtlichen Besuch einfiel. »Kommen Sie runter und hören Sie …«
Ich schüttelte den Kopf. Ich deutete auf den Regen und machte Anstalten, hineinzugehen. Diesmal funktionierte es.
»Ich habe Ihre Leute gefunden!«, brüllte Minas, um mich festzuhalten. »Ich habe sie gesehen. Ich habe mit ihnen gesprochen. Wir werden den Übeltäter dazu bringen, sich zu offenbaren. Ich habe einen Plan. Ich werde Ihnen zeigen, wie, Falco. Wir werden sie alle zusammenbringen, Sie und ich. Dann werden sie sich austauschen, und er wird enthüllt werden!«
»Na toll. Minas ist auf die kluge Idee gekommen, alle Verdächtigen in einem Raum zu versammeln und darauf zu warten, dass der Mörder gesteht … Sag’s ihm, Helena. Diese alte List funktionierte schon damals nicht mehr, als die Perser ihre Brücke über den Hellespont bauten.«
»Du bist der Held. Sag du’s ihm.«
»Ich werde ein großes Fest für diese Gruppe veranstalten!«, brabbelte Minas. »Es wird wunderbares Essen und wunderbaren Wein geben – Tänzer, Musikanten, Gespräche, und ich werde Ihnen beibringen, Kottabos zu spielen! Alle wollen immer Kottabos spielen. Sie werden kommen, und bringen Sie meinen lieben jungen Freund Aelianus mit. Warten Sie’s nur ab. Ich werde die Wahrheit für Sie herausfinden!«
Der Regen rauschte weiter herab, während die fröhlichen
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