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Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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bedeckt mit einer dicken Schicht grauem Staub.
    Es gab mal einen Ringer, der sich mitten auf die Hauptstraße stellte und einen im Affenzahn heranbrausenden Streitwagen anhielt. Das hätte dieser Mann auch gekonnt. Er konnte den Verkehr einhändig anhalten, während er ein Brötchen aß. Milon von Kroton pflegte auf einem Diskus zu stehen, einen Granatapfel hochzuhalten und alle herauszuforden, ihn ihm abzunehmen. Nur seiner Freundin gelang das, aber sie muss gewusst haben, wo er kitzlig war. Ach, was gäbe man nicht für so ein gertenschlankes Geschöpf, das mit sinnlichen Händen wohltuende Massagen verabreicht.
    »Stell das Kind auf den Boden und lass uns reden!« Griechische Ringer reden nicht. Sie schauen finster, umkreisen und packen den Gegner mit knochenknackenden Umklammerungen, dreschen dann ohne Zeitbegrenzung auf ihn ein, bis der eine Hüne den anderen dreimal zu Boden geworfen hat. Oder bis einer so stark verletzt ist, dass er nicht weitermachen kann. Oder, besser noch, einer tot ist.
    Der Ringer schüttelte Cornelius, um ihn noch mehr zu verängstigen.
    »Er ist nur ein Junge. Er gehört nicht zu deiner Altersklasse. Halte dich an die Regeln!« Mein Flehen war verzweifelt. Auf Armeslänge gehalten, die eine mächtige Faust um seine beiden Knöchel und die andere um sein Genick, war Cornelius aschfahl, zu panisch, um auch nur zu wimmern. »Lass ihn runter. Er hat dir nichts getan. Ich habe kapiert, was hier los ist – jemandem gefallen meine Nachforschungen nicht, und du sollst mich davon abhalten. Also lass den Jungen runter und ermorde mich stattdessen.«
    Der Riese stieß einen markerschütternden Schrei aus, was wohl zu seiner Schau gehörte. Plötzlich beugte er die Arme, die Ellbogen weit nach außen, als wollte er Cornelius quer über den Skamma schleudern. Die zuschauenden Sklaven traten nervös zurück. Von hoch zum Himmel bis hinunter zum Sand wurde mein Neffe wie eine Lumpenpuppe herumgeschlenkert. Seine pummeligen Arme baumelten herab. Die eine Hand war wie unabsichtlich zur Faust geballt und erwischte den Ringer am Auge. Der Riese schüttelte den Kopf, als wäre eine Weinfliege auf seinen Wimpern gelandet – doch dann, wie man das eben so tut, musste er das Auge mit dem Faustrücken auswischen, also ließ er Cornelius los.
    Ich sprang vor und fing den Jungen im Fall auf. Für mich war er verdammt schwer. Es gelang mir, ihn recht sanft zu Boden zu setzen, wobei ich mir allerdings den Rücken verzerrte. Dann warf mich der Ringer zu Boden. Ich knallte auf den Sand, schaffte es jedoch irgendwie, Cornelius einhändig aus der Gefahrenzone zu schubsen. Der Ringer trat mich von ihm weg. Ich fiel der Länge nach hin und kaute Sand.
    Als Nächstes zerrte mich der Riese an einem Arm hoch und musterte mich verächtlich. Er drehte mir den Arm auf den Rücken und achtete darauf, es möglichst schmerzhaft zu tun. Ich hüpfte herum und bemühte mich, ein Bein hinter seines zu bekommen. Wobei ich wusste, dass es sinnlos war. Er war über sechs Fuß groß, und mit meinem Gewicht konnte ich seine baumstammdicken Waden nicht vom Fleck bewegen. Er behielt seine Stellung bei, während ich hilflos herumfuchtelte. Er spielte mit mir. Wenn er mich fertigmachen wollte, würde ich seine Fäuste zu spüren bekommen. Diese Fäuste waren mit hartem Rohleder umwunden, die Riemen reichten hinauf bis zu seinen Unterarmen. Vliesbänder erlaubten ihm, Schweiß abzuwischen, obwohl er bisher keinen vergossen hatte. Ohne sich besonders anzustrengen, faltete er mich zusammen wie ein Mädchen eine Decke.
    Dann warf er mich mit einem plötzlichen, verärgerten Knurren auf den Sand. Im Idealfall hätte ich ihn mitgerissen. Völlig unmöglich. Als ich mich mühsam wieder aufrappelte, sah ich, dass sich Cornelius an den linken Fuß des Riesen gehängt hatte und die Zehen des großen Mannes mit aller Kraft nach hinten bog. Der wütende Ringer wirbelte herum, schlenkerte das Bein, um Cornelius abzuschütteln. Ich warf mich wieder ins Getümmel, wollte ihn diesmal von hinten in den Schwitzkasten nehmen. Das war, als hätte ich den Arm um einen halb versunkenen Pfahl am Ufer geschlungen und versuchte eine solide Eiche zu würgen. Ich tat mein Bestes, ihn mit einer Hand zu erwürgen, während ich ihm ins Ohr boxte. Was er vermutlich gar nicht bemerkte. Dieser Hieb war im griechischen Boxen und beim Pankration erlaubt. Er schüttelte mich nur herablassend von seinem Nacken und brachte mich wieder in Reichweite. Dann packte er mich mit

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