Delphi sehen und sterben
einer grausigen Umarmung und drehte mich kopfüber.
Er rammte mich in den Boden, direkt auf den Schädel. Es gelang mir, einen Arm auszustrecken, um den Aufprall abzudämpfen. Das meiste fing ich mit Schulter und Nacken ab, hatte aber keine Chance, erneut anzugreifen. Ich war ihm jetzt auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, aber die Todeshiebe kamen nicht.
»Falco!«
Unterstützung war eingetroffen – der junge Glaucus. Er musste uns hierher gefolgt sein – wenngleich er das wohl noch bedauern würde. Trotz des mächtigen Körperbaus unseres Freundes war der riesige Ringer doppelt so groß. Bis ich mich in eine sitzende Stellung aufgerichtet hatte, waren die beiden schon in Position gegangen. Der Riese fletschte die Zähne in einer abscheulichen Grimasse. Er blähte die Nasenflügel auf und verzog grotesk das Gesicht. Seine Brust schwoll an. Sein Bizeps wölbte sich. Ich war bloß eine Ablenkung gewesen; Glaucus anzugreifen würde ihm richtig Spaß machen.
Unser normalerweise vorsichtiger Glaucus hatte die Herausforderung angenommen. Bedächtig zog er seine Tunika aus und warf sie mir zu. Nackt und stolz stand er da, ohne Öl und Staub, aber bereit zum Kampf. Der Riese ließ ihm Zeit, sich Riemen von den Bündeln zu ziehen, die an der Palästrawand hingen. Cornelius huschte zu ihm und half ihm beim Binden. In meinem Kopf hörte ich nur die Antwort unseres Freundes, als Gaius ihn gefragt hatte, ob er so was tun könnte: »Eher nicht.«
Ach, zum Hades.
»Glaucus.« Während er die Riemen festzog, stellte er sich mit einem herrischen Schnauben vor.
»Milon.«
»Milon von
Kroton?
«, entfuhr es Glaucus aufgeregt.
»Milon von Dodona.« Der Riese genoss es, ihn zum Narren gehalten zu haben.
»Ach so!«
Ich war weniger überrascht als Glaucus. Nicht zum ersten Mal hatte ich einen modernen Hünen getroffen, der sich nach dem sechsmaligen Olympiasieger nannte.
Der Kampf begann. Sporttheoretiker behaupten, dass weniger gewichtige, leichtfüßigere Männer Geschick einsetzen können, um die Schwergewichte zu übertölpeln. Ein Fliegengewicht, sagen sie, kann hin und her flitzen, einen Fußknöchel wegtreten und einen Berg von einem Mann umwerfen … Vernünftige Zuschauer wetten nicht darauf. Glaucus wusste, wenn dieses Monster ihn in einer Umarmung zerdrückte, würde es tödlich sein. Das muss der Grund gewesen sein, warum Glaucus schummelte.
Sie machten ein paar undramatische Finten. Sie umkreisten sich, scharrten Sand auf wie Kampfstiere. Der Riese grunzte, ließ sein langsames Hirn entscheiden, wann er loslegen und Glaucus in einer tödlichen Umarmung zerquetschen würde. Glaucus wartete nicht. Er bückte sich, schaufelte rasch Sand auf und warf ihn dem Riesen in die Augen. Als sein Gegner aufbrüllte und ihm Tränen aus den Augen schossen, trat ihn Glaucus – mit einem bewundernswerten rechtsfüßigen Ringertritt – voll in die bei Zeus recht veritablen Eier.
Dann packte Glaucus Cornelius und mich und zerrte uns quer über den Skamma zum nächsten Ausgang.
»Der Sprint ist meine Spezialität. Jetzt lasst uns um unser Leben rennen!«
XVIII
Wir kamen im großen Gymnasion heraus, wo wir zur Überwindung des Schocks für einen kurzen, unklugen Moment nach Atem rangen. Glaucus fing meinen Blick auf. Ausnahmsweise zeigte er einen Anflug von Humor. »Fürchte dich nie vor dem Risiko – aber sei dir immer deiner Grenzen bewusst!«
»Warum höre ich darin die Stimme deines Vaters?«
Wir hatten einen Vorsprung – aber wir waren in die falsche Richtung gelaufen. Schmerz war Milon von Dodonas täglicher Ansporn. Hinter uns hörten wir das Monster brüllen, während es uns verfolgte. Glaucus gab dem Jungen und mir einen Schubs nach vorne und übernahm Ablenkungspflichten. Ich zog Cornelius mit mir und wünschte, wir wären draußen im Heiligtum, wo ich das keuchende, pummelige Kind in eines der von griechischen Städten gestiftete Schatzhäuser schieben könnte, um zwischen der Kriegsbeute in Sicherheit zu sein. So ist das Leben – nie ist ein Schatzhaus da, wenn man es braucht …
Wir beide rannten durch den hinteren Teil des Gymnasions zu einem Eckausgang. Bei einem Blick zurück sahen wir, dass Glaucus den großen Mann verhöhnte und dann auf die Laufbahn bog, um ihn von uns wegzulocken. Doch Milon von Dodona hatte nur eines im Sinn – mich zu töten.
»Los jetzt, Cornelius!«
Wir flitzten aus dem Gymnasion, das Monster dicht auf unseren Fersen. Glaucus folgte uns nicht sofort, und ich
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