Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi sehen und sterben

Delphi sehen und sterben

Titel: Delphi sehen und sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
anderen beiden schmalen Betten erkennen. Wäre das Leonidaion voller gewesen, hätten wir uns vielleicht alle ein Zimmer teilen müssen. Trotz knapper Geldmittel hatten wir uns zwei Zimmer geleistet. Aus wirtschaftlichen Erwägungen hatten Helena und ich Albia mit bei uns, was eheliche Zärtlichkeiten etwas schwierig machte. Wir fanden uns damit ab – oder fanden Möglichkeiten, es zu umgehen. Unsere Unterkünfte lagen alle im oberen Stock, sonst hätte ich vielleicht sogar im Zimmer der Jungen die Fensterläden geschlossen, um Diebe und liebestolle, als Mondstrahlen verkleidete Götter abzuwehren.
    Ich dachte über die Schlafanordnungen der Sieben-Stätten-Reisegruppe nach, zumindest wenn sie nicht in Zelten untergebracht war. Laut Aulus’ Liste befand sich eine vierköpfige Familie darunter, die man natürlich gemeinsam unterbringen konnte. Dann gab es noch drei Paare, von denen eins frisch verheiratet war und ein anderes durchgebrannte Ehebrecher sein konnten; beide wären sicher auf ihre Privatsphäre erpicht gewesen. Der Rest setzte sich aus vier – nein fünf – Alleinstehenden zusammen, eine weiblich und vier männlich, einschließlich Volcasius, dem Seltsamen, mit dem sich keiner irgendwas teilen wollte. Einige würden Sklaven mitgebracht haben, die unser hochnäsiger Aulus gar nicht erst erwähnt hatte. Das konnte bedeuten, dass Phineus, wenn sie in einem Gästehaus übernachteten, neun Zimmer finden musste, ganz zu schweigen davon, wo er, seine Fahrer und sonstigen Helfer (die es geben musste, obwohl Aulus sie ebenfalls nicht aufgeführt hatte) unterkommen wollten.
    Das bedeutete, dass Phineus sich entweder an Hauptstraßen hielt, wo es gute Mansios im römischen Stil geben sollte – offizielle oder halboffizielle Reiseunterkünfte von hohem Standard, mit Stallungen dazu –, oder diese zusammengewürfelte Gruppe wohlhabender Unschuldiger würde sich in allen möglichen Kombinationen wiederfinden. Auf der Überfahrt hätten sie Glück gehabt, wenn sie auch nur eine einzige Kabine fanden. In Olympia musste der Anblick von nur zwei großen Zelten für die ganze Gruppe ihre erste richtig schlimme Erfahrung auf dieser Reise gewesen sein. Für manche von ihnen ein ernsthafter Schock. Und dann waren sie gezwungen, wochenlang am Flussufer zu zelten, während Valerias Tod untersucht wurde.
    Als sie ihre ursprüngliche Reiseroute wieder aufnahmen, mussten sich diese Leute, die am Anfang Fremde gewesen waren, inzwischen sehr gut kennengelernt haben.
     
    Ich musste sie finden und mir selbst ein Urteil bilden. Doch als der Morgen anbrach und sich mein Inneres endlich beruhigt hatte, zog ich los, um in Olympia ein letztes bisschen Detektivarbeit zu erledigen. Cornelius bewegte sich, also weckte ich ihn auf und nahm ihn zur Belohnung mit. Es wurde ein größeres Abenteuer, als wir beide erwartet hätten.
     
    XVI
    Es wurde gerade erst hell. Im gesamten Imperium rissen sich die Sklaven aus ihren Träumen los oder wurden von übellaunigen Aufsehern hochgeschreckt. Die Unglücklichsten stolperten mit grauen Gesichtern zur Fronarbeit in den Minen, wo sie an ihrer grausigen Schufterei allmählich verrecken würden. Die vom Schicksal Begünstigteren mussten nur eine saubere Toga bereitlegen oder kostbare Schriftrollen in einer prächtigen Bibliothek ordnen. Der bei weitem größte Teil würde Besen, Eimer und Schwämme zusammensammeln, um Häuser, Werkstätten, Tempel, Bäder – und Gymnasien zu säubern.
    Niemand verwehrte uns den Eintritt. Cornelius und ich gingen durch die Vorhalle der Palästra in den Säulengang. Jeder, der uns beobachtete – und jemand musste das getan haben –, hätte meinen Neffen hinter mir hertappen sehen, die Augen noch halb geschlossen und an den Saum meiner Tunika geklammert wie einer von Augustus’ ängstlichen Enkeln in der Parade zum Ara Pacis, dem Friedensaltar. Nicht, dass Cornelius jemals einen Bildungsausflug zum Friedensaltar mitgemacht hätte. Meine Schwester Allia hatte ihren Kindern nur beigebracht, wie man sich von Verwandten etwas borgen konnte. Verontius’ Bemühungen, ein guter Vater zu sein, erschöpften sich darin, einmal pro Woche einen Früchtekuchen heimzubringen; wenn er ein
sehr
guter Vater sein wollte, brachte er zwei.
    Cornelius brauchte die weise Zuwendung Erwachsener, sonst würde er wie seine Eltern werden. Ein Zuschauer hätte gesehen, wie ich mich zu der kleinen Schlafmütze umdrehte und ihm zärtlich das Haar verstrubbelte. Und er hätte daraus

Weitere Kostenlose Bücher