Delphi sehen und sterben
der Ehemann losgegangen, angeblich, um nach ihr zu suchen.« Ich sah keinen Grund für das »angeblich«. »Nach ihr zu suchen« erschien mir wie eine gute Reaktion, ob Streit oder kein Streit. Aquillius’ Stimme bekam einen härteren Klang. »Ich schätze, er hat sie gefunden – vielleicht in den Armen ihres Geliebten – und sie dann getötet.«
»Wie hat er auf diese Beschuldigung reagiert?«
»Oh, er hat behauptet, sie nicht gefunden zu haben.«
»Und Sie konnten niemanden auftreiben, der die beiden in der Nacht, als Valeria starb, zusammen bei der Palästra gesehen hat?«
»Genau.«
»Die ersten echten Zeugen tauchten am nächsten Morgen auf, als er sie tot vorfand?«
»Ja, das war schlimm. Wir mussten ihn gehen lassen. Das hier ist eine römische Provinz. Wir haben gewisse Prinzipien.«
Die für mich jedoch nicht hoch genug waren.
»Was hielten Sie von Milon von Dodona?«, fragte ich, ohne mehr zu verraten.
»Wer ist das?«
»Anscheinend ein Freund des Mädchens.«
»Dämliche Kuh! Ein Milon wurde nie erwähnt.«
»Vielleicht wusste niemand davon. Vielleicht war Milon Valerias süßes kleines Geheimnis.« Ich überließ es Aquillius, sich über die Relevanz klarzuwerden. »Jetzt erzählen Sie mir von dem anderen toten Mädchen – Marcella Caesia.«
»Die mit dem scheußlichen Vater?« Der Quästor stöhnte. Caesius musste sich als absolute Nervensäge aufgeführt haben, wenngleich Aquillius nur davon gehört hatte. »Das war, bevor ich nach Griechenland kam.«
»Kann ich die Unterlagen dazu sehen? Gegen den Vater wurde ein Ausweisungserlass erteilt. Er hatte offensichtlich eine Menge Kontakt mit Ihrem Büro, wenn es ihm gelang, den Statthalter derart zu verärgern.«
»Oh, die kann ich Ihnen nicht zeigen, Falco. Aus Sicherheitsgründen.« Was vermutlich hieß, der Statthalter hatte seinen Gefühlen auf zu derbe Weise Luft gemacht – oder Aquillius wusste, dass die Schriftrolle beim Abfallmaterial gelandet und zum Verpacken der Andenken verwendet worden war, die der Statthalter nach Hause schickte. »Unserer Ansicht nach ist das Mädchen entweder auf den Kronoshügel gestiegen, um sich mit einem Liebhaber zu treffen, oder …« Er senkte die Stimme in hohlem Mitgefühl. »Oder sie hat sich selbst entleibt.«
Wieder strafte ich ihn mit Schweigen. Aquillius ertrug es mit seiner üblichen Gutmütigkeit. »Nein, wir glauben eigentlich nicht an die Liebhabergeschichte. Nach allem, was man hörte, war sie eine stille kleine Maus. Nicht besonders attraktiv und wenig Persönlichkeit.«
Ich teilte ihm mit, ihr Vater habe erwähnt, dass es vor ihrer Reise »Probleme mit einem jungen Mann« gegeben habe. Aquillius ging darüber hinweg und blieb bei seiner eigenen Version. »Wir glauben, dass sie von den Mysterien Griechenlands mitgerissen wurde und eine Art Zusammenbruch hatte.«
»Offiziell war es also ein Selbstmord.«
»Ja, aber der Statthalter ist ein weichherziger alter Kerl. Er brachte es einfach nicht über sich, dem Vater das zu sagen. Als Caesius nicht aufhörte, Ärger zu machen, war es am einfachsten, ihn auszuweisen.«
Ich war müde, hatte eine lange Seereise hinter mir. Jetzt stand mir eine Woche Gezerre mit der Bürokratie bevor. Ich gab auf.
Ich bat um den Namen eines angesehenen Gästehauses und bekam ihn.
»Wird Claudius Laeta für Ihre Rechnung aufkommen, Falco?«
»Da das Verbrechen hier verübt wurde, schlug er vor, dass Sie mich aus der Handkasse bezahlen.«
Aquillius Macer nahm das hin. Er war der Finanzbeamte der Provinz, hatte aber keine Ahnung, wie man Kosten manipulierte. Er hätte seine Ausgaben direkt an Rom weiterreichen und das Geld zur Unterhaltung einflussreicher Einheimischer verwenden können. Er war ein hoffnungsloser überseeischer Gesandter – und ich war erpicht darauf, die mir von Laeta zugestandenen knappen Mittel zu bewahren, also ließ ich mich von Aquillius aushalten.
Dann gab er mir auch noch die Adresse, wo die Sieben-Stätten-Gruppe untergebracht war, in irgendeiner Bruchbude namens Helios. »Also, alle bis auf den Reiseleiter …«
Eine weitere Überraschung. »Phineus! Was ist mit dem passiert?«
»Ach nichts. Aber wir kennen Phineus alle, der ist kein Problem. Er muss sich noch um andere Gruppen kümmern. Wir haben ihn auf Bewährung freigelassen.« Das klang fast, als hätte Phineus einen Regierungspass und kostenloses Heu für seinen Esel bekommen.
»Als Caesia starb«, warf ich gereizt ein, »ist dieser Phineus direkt nach Rom
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