Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
versteht, stand im Keller und sah ihr zu, wenn sie in voller Tätigkeit war, bis er vor Freude ganz melancholisch wurde. Die Maschinen nebst zwei lieblichen Kindern hätten ihn zu einem sehr glücklichen Mann machen können, wenn ihn nicht seine Frau daran verhindert hätte, die eine wilde Hexe war. Sie verfolgte ihn überall und lag ihm immer in den Ohren, bis er es endlich nicht mehr aushalten konnte.
›Ich will dir was sagen, meine Liebe‹, sagte er eines Tages: ›wenn du diese Unterhaltungsart beibehältst‹, sagte er, ›will ich verdammt sein, wenn ich nicht nach Amerika gehe; und damit Punktum.‹ – ›Du bist ein Taugenichts!‹ sagte sie, ›und ich wünsche den Amerikanern zu dieser Erwerbung Glück.‹ Auf das tut sie ihm noch eine halbe Stunde lang den Rost herunter, läuft dann in das Ladenstübchen und fängt an zu schreien: er werde noch ihr Tod sein, und bekommt einen Anfall, der drei volle Stunden dauert – einen von jenen Anfällen, wobei man unaufhörlich schreit und mit Händen und Füßen um sich schlägt. Gut, am andern Morgen wurde der Mann vermißt. Er hatte nichts aus der Kasse genommen, hatte sogar nicht einmal seinen großen Mantel angezogen, es war also augenscheinlich, daß er nicht nach Amerika gegangen war. Kam am andern Tag nicht, kam in der andern Woche nicht: die Frau läßt in öffentlichen Blättern bekanntmachen, wenn er zurückkomme, so solle ihm alles vergeben sein (was sehr großmütig war, da sie sah, daß er nichts getan hatte). Alle Kanäle wurden untersucht, und wenn man in den nächsten zwei Monaten eine Leiche fand, so wurde sie in den Wurstladen gebracht, wie wenn sich das von selbst verstände. Da man aber in keiner von ihnen den Vermißten erkannte, so streute man aus, er sei davongelaufen, und sie setzte das Geschäft fort. Eines Sonnabends abends kommt ein kleiner, hagerer, alter Herr in großer Aufregung in den Laden und sagt: ›Sind Sie die Herrin dieses Ladens?‹ – ›Ha, das bin ich‹, sagt sie. – ›Gut, Madame‹, sagt er, ›dann habe ich Ihnen zu sagen, daß ich und meine Familie für nichts und wieder nichts beinahe erstickt waren: und noch mehr, Madame‹, sagte er, ›Sie werden mir eine Bemerkung erlauben: da Sie nicht gerade das auserlesenste Fleisch in Ihrer Wurstfabrik verwenden, so meine ich, Rindfleisch würde Sie nicht viel mehr kosten als Hosenknöpfe.‹ – ›Hosenknöpfe, Sir?‹ sagt sie. – ›Ja, Hosenknöpfe, Madame‹, sagt der kleine, alte Herr, ein Papier aufmachend und ihr zwanzig bis dreißig halbe Knöpfe zeigend. ›Hosenknöpfe, Madame, sind ein hübsches Gewürz für Würste.‹ – ›Das sind meines Mannes Knöpfe‹, sagt die Witwe und wird ohnmächtig. – ›Was?‹ schreit der kleine, alte Herr erbleichend. – ›Jetzt geht mir ein Licht auf‹, sagte die Witwe: ›er hat sich in einem Anfall vorübergehenden Wahnsinns voreilig in Würste verwandelt!‹ Und so war es denn auch«, fügte Herr Weller, Herrn Pickwick ruhig in das schreckensbleiche Gesicht sehend; »oder er wurde sonstwie in die Maschine geworfen, aber es mag nun sein, wie es will, der kleine, alte Herr, der schon von Kindheit auf in diese Würste vernarrt war, stürzte ganz außer sich aus dem Laden und ließ nie wieder etwas von sich hören.«
Bei dem Schlusse dieser rührenden Erzählung aus dem Privatleben waren Herr und Diener in der Wohnung Herrn Perkers angekommen. Lowten unterhielt sich in der halb offenen Tür mit einem schlecht gekleideten, erbärmlich aussehenden Mann in Stiefeln ohne Zehen und Handschuhe ohne Finger. Sein eingefallenes und abgehärmtes Gesicht trug die Spuren der Entbehrung und des Leidens, ja, beinahe der Verzweiflung; er fühlte seine Armut, denn er trat beim Nahen Herrn Pickwicks in den Schatten der Treppe zurück.
»Es ist sehr mißlich«, sagte der Fremde mit einem Seufzer.
»Allerdings«, erwiderte Lowten, seinen Namen mit dem Kiele an den Türpfosten kritzelnd und mit der Fahne der Feder wieder auswischend. »Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Wann glauben Sie wohl, daß er zurückkommt?« fragte der Fremde.
»Ganz unbestimmt«, erwiderte Lowten, Herrn Pickwick zuwinkend, als der Fremde die Augen zu Boden schlug.
»Glauben Sie nicht, daß ich ihn hier erwarten kann?« fragte der Fremde mit einem sehnsüchtigen Blick in die Schreibstube.
»O nein, das können Sie nicht«, erwiderte der Schreiber, sich mehr in die Mitte der Tür stellend. »In dieser Woche kommt er nicht mehr zurück, und es ist eine
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