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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Schließer und dampfte mächtig, um sich das Ansehen zu geben, als ob er den kleinen Mann nicht verstände. – ›Aber‹, sagte dieser immer dringlicher, ›ich habe es mir nun einmal in den Kopf gesetzt. Laßt mich die Straße noch einmal vor meinem Tode sehen, und wenn mich der Schlag nicht rührt, so bin ich in fünf Minuten wieder da.‹ – ›Aber‹, sagte der Schließer, ›was soll aus mir werden, wenn der Schlag Euch wirklich rührt?‹ – ›Ach‹, erwiderte das kleine Männchen, ›wer mich findet, der wird mich schon bringen, denn ich habe meine Karte in der Tasche: Nr. 20, Gefängnishallengang.‹ Und das war wirklich so, denn wenn er mit einem Neuangekommenen Bekanntschaft machen wollte, so zog er jedesmal eine kleine biegsame Karte mit den obengenannten Worten und sonst gar nichts darauf aus der Tasche, daher sie ihn auch die ›Nummer 20‹ nannten. Der Schließer sah ihn scharf an und sagte zuletzt sehr feierlich: ›Zwanzig, ich will Euch trauen: Ihr werdet Euren alten Freund nicht in Verlegenheit bringen.‹ – ›Nein, mein Schatz‹, antwortete das kleine Männchen, ›ich hoffe, es steckt etwas Besseres hier unten‹, dabei schlug er mit Macht auf sein kleines Westchen, und in jedem Auge stand ihm eine Träne, was ganz außerordentlich war, denn er galt dafür, daß nie Wasser sein Gesicht berührte. Er schüttelte dem Schließer die Hand, ging hinaus –«
    »Und kam nie wieder?« fragte Herr Pickwick.
    »Diesmal haben Sie fehlgeraten, Sir«, erwiderte Herr Weller, denn er erschien zwei Minuten vor der Zeit, kochend vor Wut, wieder und sagte, eine Mietkutsche habe ihn beinahe überfahren: er sei an so etwas nicht gewöhnt und er wolle ein schlechter Kerl sein, wenn er es nicht dem Lordmayor schreibe. Sie beschwichtigten ihn endlich, aber fünf ganze Jahre hernach hat er nie mehr auch nur ein einziges Mal zum Tore hinausgeschaut.«
    »Und nach Verlauf dieser Zeit ist er wohl gestorben?« fragte Herr Pickwick.
    »Nein, Sir, das nicht«, erwiderte Sam. »Er bekam ein Gelüst, in dem neuen Wirtshaus über der Straße am Eingang das Bier zu versuchen, und dort war ein so hübsches Zimmer, daß er sich’s in den Kopf setzte, jeden Abend dahin zu gehen, was er eine geraume Zeitlang tat. Regelmäßig etwa eine Viertelstunde vor Torschluß kam er dann immer wieder zurück. Das war nun alles ganz schön und gut, aber endlich wurde er so lustig und ausgelassen, daß er die Zeit ganz vergaß oder sich gar nichts mehr daraus machte, und immer später und später zurückkam, bis er zuletzt eines Abends vor dem Tore erschien, als sein guter Freund eben zuschließen wollte und bereits den Schlüssel umgedreht hatte. – ›He da, Bill, halt!‹ ruft er ihm zu. – ›Seid Ihr denn noch nicht zu Hause, Zwanzig?‹ sagte der Schließer; ›ich dachte, Ihr wäret längst da.‹ – ›Nein, noch nicht‹, erwiderte der Kleine und lächelte. – ›Dann will ich Euch etwas sagen, guter Freund‹, sprach der Schließer und machte das Tor sehr langsam und gemächlich wieder auf: ›ich habe mit großem Leidwesen gesehen, daß Ihr in der neuesten Zeit in schlechte Gesellschaften geraten seid. Ich will nun nicht hart mit Euch verfahren, aber wenn Ihr Euch nicht zu gesetzten Leuten haltet und zur regelmäßigen Stunde wieder heimkommt, so schließe ich Euch ganz und gar aus, so wahr ich da stehe.‹ Der kleine Mann fing heftig an zu zittern und zu beben und verließ seitdem nie wieder die Gefängnismauern.«
    Als Sam geendet hatte, ging Herr Pickwick langsam die Treppe wieder hinab, und nachdem er einige Male auf dem bemalten Platz, wo er, da es jetzt dunkel war, beinahe allein sein konnte, gedankenvoll auf und ab gegangen, sagte er zu Herrn Weller, es scheine ihm hohe Zeit zu sein, zu Bett zu gehen,- er solle in einem nahen Wirtshaus eine Unterkunft suchen und am andern Morgen beizeiten wieder kommen, um für die Herbeischaffung seiner Garderobe aus dem Georg und Geier Sorge zu tragen. Herr Samuel Weller schickte sich an, diesem Befehl mit so gutem Anstand wie er anzunehmen vermochte, zu gehorchen, legte aber dennoch einen bedeutenden Widerwillen an den Tag. Er ging sogar soweit, durch allerhand wirkungslose Winke anzudeuten, daß es passend wäre, wenn er sich für heute nacht auf den Kiesboden hinstreckte: da er aber Herrn Pickwick für alle solche Anspielungen hartnäckig taub fand, so zog er sich endlich zurück.
    Die Tatsache darf nicht verschwiegen werden, daß Herr Pickwick äußerst niedergedrückt war

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