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Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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und sich durchaus unbehaglich fühlte – nicht wegen mangels an Gesellschaft, denn das Gefängnis war sehr voll, und mit einer Flasche Wein konnte er sich ohne alle förmliche Einführungszeremonie die beste Kameradschaft einiger auserwählten Geister erkaufen. Allein er fühlte sich einsam unter einem rohen Gesindel, und der Gedanke, ohne Aussicht auf Befreiung eingekäfigt zu sein, benahm ihm allen frohen Mut. Dessenungeachtet fiel es ihm aber nicht von ferne ein, sich damit loszukaufen, daß er der Betrügerei Dodsons und Foggs Vorschub leistete.
    In dieser Stimmung begab er sich noch einmal in den Gefängnishallengang und spazierte langsam auf und ab. Der Platz war unerträglich schmutzig und der Tabaksdampf beinahe erstickend. Die Leute warfen unaufhörlich die Türen zu, wenn sie aus- und eingingen, und das Geräusch ihrer Stimmen und Fußtritte hallte beständig durch den Gang. Eine junge Frau mit einem Kind auf den Armen, das vor Magerkeit und Elend kaum kriechen zu können schien, ging mit ihrem Manne, der keinen andern Platz hatte, um sie zu sehen, den Gang auf und ab. Als sie an Herrn Pickwick vorbeikamen, konnte er die Frau bitterlich schluchzen hören, und einmal brach sie in ein so heftiges Jammern aus, daß sie sich an der Wand halten mußte, während der Mann das Kind in seine Arme nahm und sie zu beruhigen versuchte.
    Herrn Pickwicks Herz war wirklich zu voll, um das zu ertragen: er ging die Treppen hinauf und ins Bett.
    Obgleich nun das Zimmer des Gefängniswärters in Beziehung auf Möblierung und Einrichtung durchaus unwohnlich und um mehrere hundert Grad schlechter war als das gemeinste Krankenzimmer in einem Grafschaftsgefängnis, so hatte es doch für den Augenblick den Vorzug, ganz verlassen und nur von Herrn Pickwick bewohnt zu sein. Er setzte sich am Fuß seiner kleinen eisernen Bettstelle nieder und begann zu berechnen, wieviel der Gefängniswärter wohl jährlich aus diesem schmutzigen Zimmer lösen könne. Er brachte auf mathematischem Wege heraus, daß es vielleicht soviel eintrage, wie eine kleine Straße in den Vorstädten Londons. Dann fing er an, sich zu wundern, warum wohl eine düster blickende Fliege, die auf seinen Beinkleidern herumkroch, in ein so enges Gefängnis gekommen sein mochte, während sie doch unter so vielen luftigen Wohnungen die Wahl habe: eine Betrachtung, die ihn zu dem unausweichlichen Schluß leitete, das Insekt müsse verrückt sein. Nachdem er darüber ins reine gekommen, merkte er, daß er schläfrig sei. Er zog daher seine Nachtmütze aus der Tasche, die er morgens einzustecken die Vorsicht gebraucht, kleidete sich gemächlich aus, ging ins Bett und schlummerte ein.
    »Bravo! die Füße in Schwung! Munter! Juchheisa, Zephyr! Ich will mich hängen lassen, wenn nicht das Opernhaus Ihre eigentliche Heimat ist. Holla ho!« Diese und ähnliche mit dem tobendsten Geschrei hervorgelärmte und von lautem, schallendem Gelächter begleiteten Ausdrücke erweckten Herrn Pickwick aus einem jener gesunden Schlummer, die in Wirklichkeit nur eine halbe Stunde andauern, dem Schläfer aber drei bis vier Wochen lang gewährt zu haben scheinen.
    Die Stimme hatte nicht sobald aufgehört, als das Zimmer mit solcher Heftigkeit erschüttert wurde, daß die Fenster in ihren Rahmen rasselten und die Bettstellen erzitterten. Herr Pickwick schrak auf und blieb einige Minuten lang in stummes Erstaunen über die seinen Augen sich darstellende Szene versunken.
    In seinem eigenen Zimmer nämlich führte ein Mann in einem grobgesäumten schwarzen Rock, manchesternen Kniehosen und grauen wollenen Strümpfen die gewöhnlichste Art eines Hornpipetanzes mit einer spitzbübisch-burlesken Karikatur von Anmut und Leichtigkeit auf, die, verbunden mit dem eigentümlichen Charakter seines Kostüms, unaussprechlich abgeschmackt war. Ein anderer Mann, der offenbar sehr betrunken und wahrscheinlich von seinem Kameraden in ein Bett geworfen worden war, saß zwischen den Tüchern und trillerte, soweit es ihm sein Gedächtnis erlaubte, ein komisches Lied mit den sentimentalsten Empfindungen und Phrasen, während ein dritter, der gleichfalls auf einem Bette saß, den beiden Künstlern mit tiefer Kennermiene zujubelte und sie durch solche Aufwallungen von Gefühl, die Herrn Pickwick bereits aus dem Schlafe gestört hatten, ermutigte.
    Dieser letztere war ein bewunderungswürdiges Musterstück von einer Klasse Leute, die in ihrer gänzlichen Vollkommenheit nur an solchen Orten zu sehen sind: – im

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