Delta Operator (German Edition)
Sie bemerkte auch nicht die Blicke des Barkeepers, der sie beobachtete, genauso wie alle anderen drei verbliebenen Gäste, die noch in der Lounge waren. Sie sah nur das unbeschreibliche Glück zweier Menschen und wusste, dass sie selber so etwas nie wieder erleben würde.
Parkplatz A12-Inntalautobahn bei Innsbruck, Tirol
24. Dezember 2016
17:20 Uhr Ortszeit
Um zwanzig nach Fünf war der kleine Parkplatz praktisch menschenleer. An einem 24.Dezember um diese Uhrzeit war das an sich auch nicht weiter verwunderlich. Nur ein silberner Mercedes mit einem Stuttgarter Kennzeichen stand mit laufe ndem Motor auf dem Seitenstreifen, der für die LKWs reserviert war. Am Steuer des Wagens sowie auf dem Beifahrersitz befanden sich Eduard und Monique von Hartung, ihres Zeichens Schwerindustrielle und ebenso Schwerreiche mit einem Hang zum Sommererholungsurlaub in Tirol, dem ihrer Meinung nach schönsten Flecken auf der Erde.
Diese Vorliebe für Tirol im Sommer war es aber auch, die das Paar nun am vierundzwanzigsten Dezember zur Besch erungszeit hier an diesem kargen und einsamen Parkplatz Hände haltend und mit klopfendem Herzen ausharren ließ. Denn vor mittlerweile eineinhalb Jahren war ihre Tochter Janina in eben einem dieser geliebten Sommerurlaube über Nacht spurlos verschwunden. Anfängliche Verdachtsmomente erhärteten sich nicht, die Ermittlungen verliefen sich ins Nebelhafte, der Fall konnte nicht geklärt werden. Der Vater, Eduard von Hartung, hatte eigentlich von Anfang an die verdammte Sektenburg bei Silz, St. Petersberg in Verdacht gehabt, doch die Behörden glaubten ihm nicht, bzw. war die Beweislage für eine Hausdurchsuchung nicht ausreichend. Das Mädchen, Janina, hatte sich in ihrer spätpubertären Auflehnung und auch aus Neugier für die Vorkommnisse in St. Petersberg interessiert. Sie war gegen die Erlaubnis ihrer Eltern mehrmals in der Burg gewesen und schien mit der Zeit regelrecht besessen von der Idee des Engelswerks zu sein. Natürlich hatte sie keine Ahnung gehabt, mit welchen Teufeleien sie sich da einließ.
Nachdem Janina dann also spurlos verschwunden war und auf öffentlichem Wege keine Erfolge zu verbuchen waren, war der reiche Mann mittels eigenen Recherchen immer mehr zu der Überzeugung gelangt, dass seine Tochter tatsächlich in diesem alten Gemäuer in Tirol einsitzt und wahrscheinlich gegen ihren Willen festgehalten wird. Dann, vor etwa drei M onaten, war er auf die Website eines jungen Mannes gestoßen, der „unkonventionelle Hilfe bei ungewöhnlichen Problemen“ versprach. Von Hartung war mit diesem Mann per E-Mail in Kontakt getreten und ohne größere Umschweife zur Sache gekommen. Der Mann, er kannte ihn nur unter dem Vornamen Stefan, war einverstanden gewesen, gegen entsprechende Vorauszahlung mit eigenen Recherchen zu beginnen. Von Hartung hatte von Beginn an Vertrauen zu diesem ruhigen und gelassenen Mann verspürt und nun nach diesem SMS, das er vor wenigen Stunden erhalten hatte, schien sich sein Vertrauen zu bestätigen.
…ICH HABE SIE. 2412 1730 PARKPLATZ A12 INNSBRUCK WEST. ALLEINE...
So hatte das SMS gelautet, das ihm fast sein Herz aussetzen ließ. Nun saßen sie hier und warteten auf ihre geliebte Tochter.
Von Hartung reichte seiner Frau ein Taschentuch, damit sie eine einzelne Träne trocknen konnte, als er die Scheinwerfer auf sich zukommen sah. Der Wagen dessen Marke und Kennzeichen durch das Gegenlicht der Scheinwerfer und der fortgeschrittenen Dämmerung nicht erkennbar waren, stoppte etwa fünfzig Meter entfernt. Das Licht und der Motor des Wagens erstarben nicht, doch die Fahrertür öffnete sich. Der dunkle Schatten trennte sich vom Wagen, öffnete die Hintertür, dann waren zwei schemenhafte Gestalten zu sehen. Die Hintertür schloss sich wieder, die Schemen kamen auf den Mercedes der von Hartungs zu, die ihrerseits den Wagen nun nervös verließen.
Nun stoppten die beiden Schatten kurz, nur einer – der kleinere - ging weiter, bis er im Licht des Mercedes erkennbar war. Monique von Hartung stieß einen Schrei aus, der Eduard eine Ohnmacht befürchten ließ. Und nun erkannte auch er die Person, die vor ihnen stand. Er konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten und stürzte förmlich auf seine Tochter zu. Wenige Augenblicke später hatte er sie erreicht und schloss sie zusammen mit seiner Frau, die erst später ohnmächtig werden sollte, in die Arme. Tränen der Erleichterung ergossen sich über seine Wangen, er konnte sie fühlen, er
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