Dem Himmel entgegen
untergegangen. Ellas Stimme klang heiser, da sie verzweifelt versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten. “Harris, es ist schon spät. Wir sollten runterklettern und nach Hause zurückkehren.”
Er hielt sie zurück. “Fannie wird nicht lange hier bleiben. Nur ein paar Tage. Eine Woche, vielleicht auch zwei.”
“Und dann?”
“Ella …”, sagte er müde. “Wir haben das doch schon besprochen.”
“Und wir haben es noch immer nicht gelöst! Du verlangst zu viel von mir.”
“Aber ich will, dass das zwischen uns funktioniert”, sagte er bestimmt.
“Aber es kann nicht funktionieren, solange du noch verheiratet bist.”
“Du wusstest, dass ich verheiratet bin.”
“Ja, das wusste ich”, gestand sie.
Sie klang so resigniert, so verzweifelt und traurig, dass er ihr etwas sagen wollte, um sie seiner zu versichern, doch er hatte nicht das Recht, sie um etwas zu bitten.
“Dass Fannie hier aufgetaucht ist, hat alles verändert. Ich kann nicht mit ihr hier unter einem Dach leben. Und du weißt das! Und ich kann auch nicht bleiben, wenn sie wieder weg ist, weil ich sie jetzt kennen gelernt habe. Sie ist real, keine Vorstellung mehr, die man beiseite schieben kann. Kein gesichtsloser Bösewicht mehr, der irgendwo da draußen ist. Ich kann nicht mehr so tun, als existiere sie nicht. Sie ist deine Ehefrau. Und deshalb ist das, was wir teilen, verboten. Unmoralisch. Falsch.”
“Ella …”
Sie blickte ihn zärtlich an, und er fragte sich, ob er so viel Liebe überhaupt verdiente. Als sie sein Gesicht in ihre schlanken Hände nahm, drehte er ganz leicht seinen Kopf und küsste sanft ihre Fingerspitzen.
“Ich liebe dich”, sagte sie. “Und ich werde noch für eine Weile bleiben. Nicht um deinetwillen, sondern wegen Marion. Sie braucht mich, und ich werde sie nicht verlassen. Aber dies ist dein Problem, Harris. Ich werde es nicht für dich lösen.”
“Du willst, dass ich mich von Fannie scheiden lasse?”
Sie atmete tief ein, und er konnte ihre Antwort in ihren Augen lesen:
Ja!
Er setzte sich auf und fuhr sich mit den Händen durch die Haare. Die Adler hinter ihm in der Auswilderungsbox rührten sich, erschrocken durch seine plötzliche Bewegung.
“Es gibt noch einen weiteren Grund, warum ich mich nicht scheiden lasse. Und der ist nicht so großmütig.”
Er konnte hören, wie Ella hinter ihm aufstand und sich dann neben ihn setzte, geduldig und aufmerksam wartend.
“Wenn ich mich von Fannie trenne, hat sie Anspruch auf die Hälfte unseres Besitzes. Ich müsste alles verkaufen. Ich kann sie im Moment nicht ausbezahlen, und selbst wenn ich verkaufe, hätte ich nicht genug Geld, denn der Grund ist zu wenig wert. Ich würde das Center verlieren.”
“Harris, tu es”, sagte sie, und er konnte spüren, wie viel Verzweiflung und Liebe in diesen Worten lagen. “Wir schaffen das schon. Wir verdienen genug Geld, und du kannst dir dann etwas Neues aufbauen.”
Er schüttelte den Kopf. Wenn es doch nur so einfach wäre. Wie sollte er es ihr erklären? Er blickte sich zu den beiden Adlern um, die nebeneinander hockten. Sie waren Geschwister, aber sie waren flügge. Vielleicht sahen sie sich nie wieder, wenn sie das Nest verlassen hatten. Aber wenn sie sich einen Partner suchten, blieben sie ihm das ganze Leben lang treu – dieses Band war für die Ewigkeit. Sie würden nisten und immer an diesem Platz bleiben.
“Es geht nicht nur um das Geld. Mir waren materielle Werte nie so wichtig. Wenn ich nur genug hatte, um mein Kind, meine Familie zu versorgen, war ich glücklich. Aber das Zuhause, die Heimat war mir immer sehr wichtig. Meine Mutter hat unseren Besitz, unser Land Stück für Stück verkauft, ist gestorben und hat mich mit nichts zurückgelassen. Ella, alles was ich bin, ist hier. Ich habe mich diesem Fleckchen Erde verpflichtet, und ich habe mich meiner Ehefrau verpflichtet. Diese beiden Dinge sind untrennbar miteinander verbunden.”
Ella hockte sich vor ihn. Ihr Haar hing offen über ihre Schultern wie ein wertvoller Umhang. Im Schatten konnte er ihr Gesicht kaum erkennen.
“Halte mich, Harris. Ich habe Angst.”
“Ich liebe dich”, sagte er inbrünstig und zog sie an sich. “Ich weiß, dass ich kein Recht habe, das zu dir zu sagen. Und dass ich dich nicht verdiene.”
Sie legte ihm den Finger auf dem Mund, und er schwieg.
Er senkte den Kopf und küsste sie. Dieser Kuss sollte sie von seiner tiefen Liebe überzeugen. Ihr Kuss wurde leidenschaftlicher, inniger, und von irgendwoher
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