Dem Killer auf der Fährte
Aber diesmal öffnete er nur die Augen, schüttelte leicht seinen großen Kopf und ließ ihn dann langsam auf seine Vorderpfoten sinken. Manche Hunde haben von Natur aus einen eher traurigen Gesichtsausdruck, nicht jedoch Rowdy oder Malamutes überhaupt, aber in diesem Moment hätte ein Bluthund neben ihm geradezu fröhlich ausgesehen.
»Es ist Zeit, aufzustehen«, flötete ich. »Und außerdem hast du keine andere Wahl.«
Als ich mit der unverletzten Hand sein Halsband packte und ihn auf die Füße zog, schüttelte er sich, aber nicht mit seiner üblichen Energie und Begeisterung, und ich mußte ihn aus dem Haus führen. Der Anblick seiner Leine schien ihm nichts zu bedeuten, allerdings reagierte er auf die geöffnete Hintertür meines Kombis und versuchte, hineinzuspringen, aber es fehlte ihm die Kraft, und ich mußte ihm einen Schubs geben. Dazu brauchte ich beide Hände, was in der verletzten Hand einen solchen Schmerz bewirkte, daß ich glaubte, sie würde abfallen. Um Rowdy auf dem Weg zu Steves Praxis am Einschlafen zu hindern, redete ich ohne Unterbrechung auf ihn ein und benutzte dabei alle seine Lieblingsworte, besonders seinen Namen: »Rowdy, paß auf! Hör gut zu, Junge. Sollen wir einen Ausflug machen? Laufen gehen? Rowdy, wach auf!« Aber als ich das Auto parkte und die Wagentür öffnete, war er trotzdem eingeschlafen.
»Rowdy, wach auf! Komm schon.« Ich hielt meine gute Hand unter sein Kinn und hob seinen Kopf. Im schwachen Schein der kleinen Innenleuchte sah ich, wie sich seine Augen langsam öffneten und wieder schlossen. »Du mußt aufwachen.« Ich ließ nicht locker. »Ich weiß, du willst nicht, aber du mußt. Ich kann dich nicht tragen. Du bist viel schwerer als Kimi, und ich hab’ eine verletzte Hand. Du mußt schon ein bißchen mithelfen.« Indem ich so weit wie möglich nur eine Hand benutzte, packte ich seine Schultern und zog ihn zu mir, bis seine Vorderpfoten aus dem Wageninneren hingen. Vielleicht wurde er von der Angst herunterzufallen geweckt, aber als er sich mit seinen Hinterbeinen abstieß und nun ganz heraus rutschte, landete er fast kopfüber auf dem Boden, und ich mußte ihn auffangen. Auch das tat höllisch weh. Aber nun stand er endlich aufrecht auf seinen vier Beinen, und als wir langsam nebeneinander zur Praxis gingen, versuchte er auch nicht mehr, sich niederzulegen.
Ich führte Rowdy durch die Schwingtür zwischen Wartezimmer und den Behandlungsräumen, die Steve mit einem Gummikeil aufgehalten hatte. »Steve?« rief ich.
Eine andere Schwingtür öffnete sich, und Steve warf einen fragenden Blick auf Rowdy.
»Er schläft dauernd ein«, sagte ich.
»Macht er sonst noch etwas? Spucken? Sich erbrechen?«
»Nein. Er ist bloß todmüde.«
»Okay. Ich schau ihn mir an. Bleib du hier draußen.«
»Hast du Kimi zum Erbrechen gebracht?«
»Sie ist zu stark sediert«, antwortete er.
»Und, was hast du gemacht?«
»Eine Magenspülung. Rowdy, komm her.«
»Braucht er eine?«
»Ihn kann ich zum Erbrechen bringen.«
Ich ging ruhelos im Wartezimmer auf und ab und studierte die Plakate vom Lebenszyklus des Bandwurms und die gerahmten Stickereien von Steves Mutter. Es waren dilettantische Portraits von Terriern, und ich hatte sie immer schon abscheulich gefunden. Aus den hinteren Praxisräumen drangen Geräusche und ein neuer Geruch, der sich mit dem vertrauten Aroma von Hunden, Katzen, Desinfektionsmitteln, Duftsprays und Gerüchen, die sich diesen Sprays hartnäckig widersetzten, vermischte. Als Steve Rowdy zurückbrachte, sahen beide ein wenig besser aus als vorher. Dann ging Steve wieder zu Kimi, und ich sprach zu Rowdy. Ich war immer davon überzeugt, daß meine Stimme, wenn ich ihr so einen ganz bestimmten Klang und Ton verleihe, der auf geheimnisvolle Weise therapeutisch wirkt, in das Ohr eines Hundes eindringt, durch sein Nervensystem reist und dort jede Erkrankung heilen kann. Für Rita ist dieser Glaube ein Fall von präoperativem Denken, was wahrscheinlich soviel heißt wie Wunschdenken, aber wahr ist, daß es Rowdy jetzt dadurch besser ging. Vom oberen Stockwerk hörte ich India bellen, und ein paar Hunde in irgendwelchen Räumen des Hauses antworteten ihr. Rowdy und ich hörten ihnen zu. Er registrierte das Bellen. Seine Augen leuchteten auf, und sein Rückenfell sträubte sich. Langsam kam er wieder zu sich.
Endlich trat Steve in das Wartezimmer.
»Sie ist noch sehr schwach«, sagte er. »Aber ich glaube, sie kommt durch.«
»Ich muß sie sehen.«
Kami lag
Weitere Kostenlose Bücher