Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
zahlreiche »entlastende Faktoren« für den Angeklagten gebe.
Sein Mandant habe ein Geständnis abgelegt, das sei schließlich nicht selbstverständlich.
Daniel V. sei »Einzelgänger, Außenseiter und Muttersöhnchen« gewesen. Er habe es nie leicht gehabt, äußerlich schien er immer gut versorgt zu sein, innerlich jedoch habe man ihn immer allein gelassen. Der Anwalt verweist auch auf die Aussage des Jugendpsychologen, dessen Begutachtung seines Mandanten er selbst verhindert hat. Danach liege bei seinem Mandanten eine Entwicklungsstörung pathologischen Ausmaßes vor. Daniel V. sei kein »aus geprägter und festgelegter Kinderschänder«. Seine sexuelle Begierde gegenüber Michelle habe mit Pädophilie nichts zu tun gehabt.
»Er wollte nur seine sexuelle Neugier ausleben«, so der Verteidiger. Das achtjährige Kind sei für ihn wie eine Puppe gewesen. Die Ängste des kleinen Mädchens habe er nicht wahrnehmen können.
Das Urteil des Vorsitzenden Richters folgt weitgehend der Argumentation der Staatsanwaltschaft. Nur eine Strafe in Nähe der Höchststrafe komme für Daniel V. in Frage. Der Richter spricht von einer »fürchterlich grausamen Tat« und betont in der Urteilsbegründung, es sei »alles von Anfang an geplant« gewesen. Daniel V. habe Michelle mehrere Tage lang beobachtet, bevor er beschloss, sich an ihr sexuell zu vergehen.
Besonders verachtenswert sei, wie Daniel V. das Vertrauen des Mädchens ausgenutzt habe. Sie kannte ihn aus dem Schulhort, wo er ein Praktikum absolviert hatte. Außerdem wohnte er in direkter Nachbarschaft zu Michelles Familie.
Nach Auffassung des Gerichts handelte Daniel V. aus niederen Beweggründen. Um Michelle gefügig zu machen, habe er Gewalt angewendet, sie geschlagen und ihr Alkohol eingeflößt. Aus Angst vor Konsequenzen habe er das Kind schließlich getötet.
Strafmildernd könne das Geständnis gewertet werden, auch wenn es nur unter polizeilichem Druck zustande gekommen sei. Bei Daniel V. zeigten sich »erhebliche Reifedefizite« und er sei sozial gestört.
Das Urteil lautet schließlich: Neun Jahre und sechs Monate Haft wegen Mordes, schweren sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung. Der Mörder wird 28 Jahre alt sein, wenn er wieder freikommt.
Daniel V. darf zum Schluss noch etwas sagen. Bis jetzt hat er die Plädoyers, genau wie den gesamten Prozess regungslos verfolgt. Auch jetzt wirkt er distanziert, er spricht monoton. Er äußert, das Ausmaß der Tat sei ihm erst im Verlauf des Prozesses so richtig bewusst geworden. Er sei schockiert darüber, dass die Familie seines Opfers so tief traumatisiert sei.
Manch einem Beobachter im Gerichtssaal fällt es schwer, ihm diese Erklärung zu glauben.
Pressemitteilung des Landgerichtes Leipzig
vom Freitag, 2. Oktober 2009
Urteil im Mordfall Michelle S.
Durch Urteil vom heutigen Tag hat die 03. Strafkammer (Jugendkammer) des Landgerichts Leipzig den Angeklagten Daniel V. wegen Mordes, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Die Kammer ging dabei davon aus, dass Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen müsse, da der Angeklagte Reiferückstände aufweise und eher einem Jugendlichen als einem Erwachsenen gleich zu stellen wäre .
Gegen dieses Urteil haben die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, binnen einer Woche das Rechtsmittel der Revision einzulegen.
weitere Informationen:
Aktenzeichen: 3 Ks 303 Js 10038/09
Sonntag, 4. Oktober 2010
Michelles Eltern melden sich zu Wort. Sie kritisieren das Urteil, bringen kein Verständnis für die Verurteilung zu neuneinhalb Jahren Jugendstrafe auf. Stattdessen äußern sie, dass Daniel V. »mit der vollen Härte des Gesetzes« hätte bestraft werden müssen. Die Bild – Zeitung zitiert die Eltern mit den Worten: »Wir wissen, dass uns kein Urteil der Welt, egal wie hoch es ausfällt, unsere Michi zurückbringt. Aber wir finden, dass jemand, der einem anderen Menschen auf so eine Art das Leben nimmt, mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft und lebenslänglich weggesperrt werden sollte. Die Vorstellung, dass der Täter irgendwann entlassen wird und möglicherweise wieder zuschlägt, macht uns große Angst.«
Michelles Eltern leben heute mit den beiden Söhnen völlig zurückgezogen in Norddeutschland. Besonders Michelles inzwischen sechsjähriger kleiner Bruder verkraftet die grausigen Erfahrungen bis heute nicht.
Der ehemalige Chef der Leipziger Kriminalpolizei stand damals kurz vor
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