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Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Touchscreen verdankt: Endlich besteht immer und überall Gelegenheit zur zärtlichen Berührung! Noch dazu liegt das Ding gut in der Hand, eine Art von Erotik, die bereits dem Schaltknüppel im Auto zusätzliche Bedeutung verlieh.
    Eine schwere Prüfung für die Menschenliebe stellt freilich jede Art von Telefon dar, von dem einer in Gegenwart Anderer Gebrauch macht. Er tritt damit aus der Anwesenheitsgemeinschaft aus und gehört augenblicklich einer abwesenden Gemeinschaft an, kenntlich am leeren Blick, der nicht mehr im Hier und Jetzt verweilt. Anwesende Andere werden zu Statisten degradiert, die einem Gespräch zu folgen haben, das sie nicht interessiert, aber so sehr irritiert, dass sie keinen eigenen Gedanken mehr zu fassen vermögen. Das verletzt die Selbstliebe der unfreiwilligen Zeugen und bestärkt die Selbstliebe desjenigen, dem das technische Gerät die Macht verleiht, eine solche Situation herbeizuführen. Für beides wird er gehasst, die bösen Blicke aber bezieht er nicht auf sich: Aus seiner Sicht hat er nichts Böses getan, jeder kommuniziert für sich allein, und Kommunikation kann keine Sünde sein. Es ist ja auch nur eine Frage der Zeit, bis das eigene Smartphone sich bemerkbar macht. Dann ist alles anders.
    Charakteristisch für die Verliebtheit in dieses technische Objekt ist die Versunkenheit in seine Liebkosung, das Vergessen aller Welt, sodass Mitmenschen unwillkürlich zu Zeugen intimer Reden und Handlungen werden. Signifikant ist dieGebanntheit, mit der Botschaften auf dem Display erwartet werden, die quasireligiöse Meditation, mit der sie beantwortet werden, auch am Tisch mit Anderen, auf der Straße, im Bus, im Zug, auf dem Berg, an jedem Ort, zu jeder Zeit. Mit permanenter Datenerfassung (Schritte pro Tag, Blutdruck, Gewicht, gefühlter Zustand) entsteht ein Quantified Self , von dem nur zu hoffen bleibt, dass die erfassten Quantitäten irgendwann noch in Qualitäten umschlagen. Das Objekt aber verschmilzt mit jeder Weiterentwicklung stärker mit dem Subjekt, sodass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es zum implantierten, integralen Bestandteil des Körpers wird.
    Im Kontrast zu mobilen Techniken stehen die Immobilien , die sich dem Können von Künstlern, Ingenieuren und Handwerkern verdanken. Als Künstler verstehen sich vor allem die Architekten, wenngleich an die Stelle des genialen Einzelkünstlers in vielen Büros und Studios längst Teams getreten sind, denen auch Bauingenieure, Klimaingenieure, Stadtplaner, Landschaftsgestalter, Bildhauer und Designer angehören, um dem integralen Sinngebilde eines Bauwerks auf der Schwelle zwischen Kunst, Technik und Handwerk Gestalt zu geben. Die sinnliche Erfahrung des gebauten Raums begründet die Liebe zur Architektur sowohl bei denen, die die Bauten planen, errichten und ausstatten, als auch bei den Liebhabern und Nutzern, die die Bauten sehen, an ihnen vorbeigehen, in ihnen ein- und ausgehen, verweilen, arbeiten und wohnen.
    Im Idealfall deckt sich die produktive Faszination mit der rezeptiven , wie etwa bei dem Bauwerk Gustave Eiffels, der sich um die Schaffung und Gestaltung ganz neuer Räume bemühte und nach vielen Brückenbauten seine Idee eines Tour à 300 mètres realisieren konnte, mit einer Leidenschaft, die anfänglich nicht viele mit ihm teilten. Der Ehrgeiz des Architekten, Räume in unverwechselbarer Weise kunstvoll zu gestalten, deckt sich unglücklicherweise nicht immer mit den Bedürfnissen derer, die ein Gehäuse fürs Glück und den Sinn ihres Lebens darin finden wollen. Der chinesische Architekt Wang Shu, Pritzker-Preisträger 2012, gehört jedoch zu denen, die ein Gebäude von diesen Bedürfnissen her denken und entwerfen; davon zeugt der von ihm geplante Campus der Xiangshan-Akademie, an der er selbst Baukunst unterrichtet, in einem dschungelartigen Park in der Stadt Hangzhou in China.
    Alle Kunst und Kultur geht aus Arbeit hervor, das könnte eine Liebe zur Arbeit begründen. Dass dies dennoch nicht allen naheliegt, hat damit zu tun, dass Arbeit sich für viele in der Notwendigkeit erschöpft, sich ernähren zu müssen. Vielfach in der Geschichte wurden Menschen mit mörderischen Mitteln zur Arbeit gezwungen, bis hin zum Zynismus »Arbeit macht frei« über den Toren zum Konzentrationslager Auschwitz und anderen Lagern.
    Die wirkliche Freiheit der Arbeit ist ein Gut, das mit einem bedingungslosen Grundeinkommen größere Verbreitung finden könnte. Von Bedeutung ist die Arbeit, von anderen Aspekten abgesehen, weil

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