Dem Leben Sinn geben
Yemma. Meine Mutter, mein Kind , 2007). Wie damit umgehen, wenn die Eltern älter und womöglich lästig werden? Einen Anhaltspunkt dafür liefert die Antwort auf die Frage an sich selbst: Wie hoffe ich von meinen Kindern behandelt zu werden, wenn ich selbst einmal für sie zur Belastung werde? Daraus ergibt sich eine Orientierung für den Umgang mit den eigenen Eltern beim Älterwerden. Und eine Orientierung für den Umgang der Eltern mit den Kindern beim Heranwachsen: Sie so zu behandeln, wie die Eltern von ihnen behandelt werden wollen, wenn sie beim Älterwerden vielleicht selbst wieder zum Kind werden. Wie die Kinder sich später verhalten, hängt auch von der Prägung ab, die ihnen in der Erziehung mitgegeben wird.
Liebe und Erziehung: Anleitung zu einem sinnerfüllten Leben
Wo Kinder sind, steht Erziehung in Frage. Warum und wozu überhaupt Erziehung? Mehrere Antworten sind möglich: Aus altruistischen Gründen , dem Anderen zugewandt, der erzogen werden soll, um ein sinnvolles, schönes Leben führen zu können, in dem er sich so entfalten kann, dass er Freude daran hat. Und aus egoistischen Gründen , auf das eigene Ich bezogen, das zur Entfaltung des heranwachsenden Lebens beiträgt und daran Freude hat, insgeheim aber auch daran interessiert ist, sich die Zumutungen zu ersparen, die ein unförmiges Wachstum mit sich bringen könnte.
So oder so ist eine anfängliche Bevormundung kaum zu vermeiden, und doch kann das Ziel der Erziehung nur sein, dass der Heranwachsende davon frei wird und mit seiner Freiheit auch etwas anfangen kann ( Erziehung zur Freiheit ); dass er sein Leben mit eigener Urteilskraft führen und ihm selbst Sinn geben kann ( Erziehung zur Lebenskunst ); dass er den Umgang mit sich selbst erlernt, um gut mit sich zurechtzukommen ( Erziehung zur Selbstfreundschaft ), ebenso den Umgang mit Anderen in der sozialen und ökologischen Welt erlernt, um ein umgänglicher Mensch und aufmerksamer Weltbürger zu werden ( Erziehung zur Bürgerlichkeit im vollen Sinne des Wortes).
Immer ist Erziehung eine Arbeit an den Erinnerungen der Zukunft: Woran die Heranwachsenden sich künftig im Rückblick auf ihre Kindheit erinnern werden, soll eine nie versiegende Quelle der Kraft und Inspiration für sie sein, ein Kompass für ihr Leben. Nicht immer ist Erziehung dabei ein expliziter Akt, implizit erzieherisch wirken vielmehr Haltung und Verhalten aller, die mit den Heranwachsenden befasst sind. Auch der Verzicht auf Erziehung erzieht, denn alles wird vom sich entwickelnden Gehirn »eingespiegelt«. Sinnvoll wäre daher, die Erziehung als Teil der eigenen Lebenskunst zu verstehen, sie gerne zu tun und nicht als lästiges Beiwerk abzutun.
Die Voraussetzung für Erziehung ist Liebe in angemessener Form, zumindest in der Form des Mögens: Erziehung braucht Beziehung , keine Gleichgültigkeit. Fehlt es an Beziehung, stoßen erzieherische Forderungen und gelegentliche Zumutungen von vornherein auf Ablehnung; das wiederum verleitet die Erzieher zum Einsatz unangemessener Mittel. Da Beziehung die Basis ist, ist Erziehung in erster Linie eine Aufgabe der Eltern und geschieht primär in der Familie. Zur Klugheit der Eltern gehört jedoch, damit einverstanden zu sein, dass nicht sie allein erziehen, sondern dass auch Gleichaltrige und Medien, Betreuer und Lehrer maßgeblich daran beteiligt sind und dass alle Beteiligten, vorneweg die Eltern selbst, kaum jeeiner Meinung sein können. Die unterschiedlichen Stile und Ziele der Erziehung sind nicht wirklich zu harmonisieren, auch der Einzelne selbst kann ja nicht völlig stringent erziehen. Das muss kein Problem sein, denn auch für die Erziehung ist es von Vorteil, wenn sie atmen kann – etwa zwischen nachsichtiger Milde und weniger nachsichtiger Strenge, zwischen passivem Lassen und aktivem Eingreifen. Vor allem die Eltern verkörpern in ihrer Unterschiedlichkeit und Gegensätzlichkeit die Vielfalt und Polarität des Lebens für ihre Kinder und führen mit ihrem Verhältnis zu sich selbst und zueinander vor, wie daraus eine spannungsvolle Harmonie entstehen kann. Und was soll im Zweifelsfall Vorrang haben? Der Stil dessen, der im Augenblick am meisten mit den Kindern zu tun hat, und das, was ihm gegenwärtig erforderlich erscheint. Im Übrigen tut es dem wechselseitigen Verständnis gut, die Rollen auch mal zu tauschen. Alle Kommunikation über Erziehung ist nichts gegen die Erfahrung selbst, vor allem dann, wenn es um grundsätzliche Fragen geht: Erziehung ist keine
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