Dem Leben Sinn geben
kann nur die Gewissheit sein, dass eine auch nur halbwegs gesunde Entwicklung bei einem Verbleib in der Herkunftsfamilie unmöglich wäre. Die Eingliederung in eine Pflegefamilie kann besser gelingen, wenn die Bindung an die Herkunftsfamilie bewahrt werden kann, das bisherige Leben also nicht abgespalten werden muss und keine Konkurrenzsituation zwischen den Familien entsteht. Zum Problem in der Pflegefamilie kann jedoch eine unterschiedliche Liebe der Pflegeeltern zu leiblichen Kindern und Pflegekindern werden. Hilfreich ist ein Wissen über die möglichen Komplikationen, die Phasen des Übergangs, die Altersabhängigkeit, die es Kleinkindern leicht macht, Pflegeeltern als Eltern zu akzeptieren, während ältere Kinder sich häufiger damit schwertun, da sie sich vor neuerlichen Enttäuschungen schützen wollen (Monika Nienstedt und Arnim Westermann, Pflegekinder , 2007).
Um Kindern die Liebe zukommen zu lassen, die sie ansonsten entbehren müssen, gründete Hermann Gmeiner 1950 in Österreich die Dachorganisation der SOS-Kinderdörfer . Ursprünglich für Waisenkinder gedacht, sind bereits ein halbes Jahrhundert später die meisten Kinder in Hunderten von Kinderdörfern weltweit »Sozialwaisen«, die nicht bei ihren Eltern bleiben können, da sie von ihnen vernachlässigt oder misshandelt werden. Der Kontakt zur Herkunftsfamilie wird aufrechterhalten, wo immer dies möglich ist, aber zum dauerhaften Zuhause wird die neu zusammengefügte Familie in einem Dorfhaus, das meist von einer Kindermutter, seltener von einem Kindervater geführt wird. Die Familien werden nicht beliebig zusammengewürfelt, sondern Schritt für Schritt aufgebaut. Bei Bedarf werden Therapeuten hinzugezogen, um körperliche, seelische, sprachliche und soziale Fähigkeiten der Kinder zu verbessern, für die halbjährlich ein Entwicklungsbericht erstellt wird.
Wirkungsvolle individuelle Hilfe können freiwillige Mentoren und Paten bieten. Sie sind als Lesepaten an Schulen gefragt, wo sie Kindern nicht nur vorlesen, sondern auch zuhören und manchmal besser mit ihnen ins Gespräch kommen als Eltern und Lehrer, die dafür weniger Zeit haben. Ausbildungspaten können sich um den schulischen und beruflichen Werdegang der ihnen anvertrauten Kinder kümmern. Bei einer Initiative wie Rock Your Life , 2009 an der privaten Zeppelin-Universität in Friedrichshafen am Bodensee gegründet, übernehmen Studenten das Coaching für Hauptschüler, geben ihnen Nachhilfe in schwachen Fächern und gute Tipps bei der Suche nach einem Praktikum oder einer Arbeitsstelle, bis sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen, es also rocken können.
Sozialpaten stehen Familien bei, die aus dem sozialen Netz zu fallen drohen und mit ihrem Leben nicht mehr zurechtkommen. »Große Freunde für Kleine« ( Big Friends for Youngsters ) springen Alleinerziehenden zur Seite, um deren zeitliche und nervliche Belastung aufzufangen und ihrem Leben an einem kritischen Punkt eine Wendung zum Besseren zu geben. Mit der Selbstverpflichtung, Kinder und Heranwachsende auf dem Weg ins Leben, Erwachsene auf dem holprig gewordenen Weg durchs Leben zu begleiten, können Sozialpaten traditionelle Patenschaften ergänzen und sie dort, wo sie verschwinden, ersetzen. Mit einer besonderen menschlichen Beziehung und ihrem Engagement geben Paten denen, die in Schwierigkeiten sind, das Gefühl, das in moderner Funktionalität allzu häufig entbehrt werden muss: Dass da wenigstens einer ist, der nicht von Amts wegen nur eine Funktion erfüllt, sondern sich für sie interessiert.
Fehlende, gewaltsame, missbräuchliche Liebe: Die meisten »Risikokinder«, die mit Armut, Alkoholismus, Drogenkonsum oder Gewalt der Eltern konfrontiert sind, werden jedoch trotz allem nicht in ihrer Entwicklung gestört. Selbst unter unguten Umständen entwickeln sie sich gut, zeigen eine Widerstandsfähigkeit und Robustheit, eine Resilienz , von lateinisch resilire , »zurückspringen«, wie ein Baum, der sich dem Sturm beugt und danach wieder aufrichtet. Resilienz versetzt Kinder unter schwierigsten Bedingungen in die Lage, sich zu behaupten und trotz allem ein schönes Leben zu verwirklichen, das ihnen bejahenswert erscheint. In die psychologische Begrifflichkeit eingeführt von Jack Block in der Mitte des 20. Jahrhunderts, lenkten vor allem Forschungen von Emmy Werner die Aufmerksamkeit auf das Phänomen der Resilienz, untermauert von der 1985 begonnenen Mannheimer Risikokinder-Studie.
Am Entstehen einer resilienten
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