Dem Pharao versprochen
wissen, was ihn aufgehalten hat.« Sie ergriff Anchesenamuns Hände. »Anchi, wir dürfen jetzt nicht die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Du liebst meinen Bruder und er dich – und wenn die Götter es wollen, werdet ihr eines Tages diese Liebe leben. Aber jetzt geht es um das Schicksal Ägyptens, Anchi, und das kann dir nicht gleichgültig sein. Duamutef wäre kein guter Pharao, er kennt sich gut mit Pferden und anderen Tieren aus, aber fürs Regieren fehlen ihm das Geschick und das Interesse. Er wäre der falsche Mann auf dem Thron.«
»Da magst du recht haben«, sagte Anchesenamun zögernd. Sie stand auf und ging unruhig hin und her. »Aber warum drängst du mich so? Tut ist noch nicht einmal begraben … Es kommt mir falsch vor, jetzt schon an eine Wiederheirat zu denken.«
»Das Volk verlangt nach einem neuen Pharao, und der Weg zum Thron führt nur über dich«, sagte Selket eindringlich. »Ich will nicht, dass über dich bestimmt wird, Anchi. Und der einzige Weg ist, dass du selbst etwas unternimmst. Schreib diesen Brief, Anchi!«
»Aber ich kenne diesen hethitischen König doch gar nicht«, wehrte sich Anchesenamun. »Wird er es nicht als sehr merkwürdig empfinden, wenn ich ihn einfach um einen seiner Söhne bitte?«
»Er wird stolz darauf sein, dass du einen seiner Söhne zum Pharao machen willst«, widersprach Selket.
Anchesenamun setzte sich wieder. »Ich wundere mich sehr, Selket«, sagte sie. »Ich habe bisher nicht gewusst, dass du dich so für Politik interessierst.«
»Ach, ich bin schon lange genug im Palast und man hört so viel«, entgegnete Selket. »Ich spitze dann immer meine Ohren. In der Küche tuschelt man auch schon, ob Eje oder Haremhab dein Gemahl wird.«
»Haremhab?« Anchesenamun zog die Augenbrauen hoch. »Der Feldherr? Wir sind uns noch nie begegnet, kein einziges Mal. Aber er war oft mit Tut zusammen.«
»Es geht nicht um Liebe, sondern die Ehe ist ein reines Mittel zum Zweck«, versuchte Selket ihr den Sachverhalt zu erklären. »Du könntest auch hässlich oder verkrüppelt sein und hättest trotzdem etliche Bewerber.«
Anchesenamun seufzte tief. »Ich wünschte, die Götter hätten ein anderes Schicksal für mich ausgesucht. Warum muss ich die Große Königliche Gemahlin sein? Lass uns weggehen, Selket! Wir fliehen einfach aus dem Palast. Ich will kein Spielball der Politik sein. Ich will in Frieden leben, egal, wo!«
»Wenn du fliehst, sitzt Eje morgen auf dem Thron«, sagte Selket. »Dann ist Tij die Große Königliche Gemahlin. Willst du das etwa?«
Anchesenamun schüttelte den Kopf.
»Dann denk über meinen Vorschlag nach«, sagte Selket. »Und je früher du den Brief abschickst, desto besser. Du weißt ja, wie lange ein Bote unterwegs ist.«
»Lass mich wenigstens eine Nacht darüber schlafen«, bat Anchesenamun.
Selket ist schlau. Dennoch weiß ich nicht, was ich von ihrem Vorschlag halten und ob ich ihn befolgen soll. Ich habe noch nie gehört, dass eine Königin einen fremden König um einen seiner Söhne bittet, um ihn zu ihrem Gemahl zu machen … Es ist mir unangenehm, so eine Bitte auszudrücken! Aber ich weiß, dass es jetzt nicht um Gefühle geht. Und ich weiß auch, dass Selket es gut mit mir meint. Sie gibt mir keine falschen Ratschläge …
Eje war heute Morgen bei mir und besprach mit mir noch einige Einzelheiten bezüglich Tuts Beisetzung. Es war alles bestens geregelt, und ich lobte ihn für seine Gründlichkeit. Eigentlich war das Gespräch zu Ende, doch er blieb noch und sah mich mit seltsamem Blick an. Dann fragte er mich, ob ich mir schon Gedanken über die Zukunft gemacht hätte.
»Wie meint Ihr das?«, fragte ich zurück.
»Nun, Ihr könnt als Frau nicht allein regieren«, sagte er. »Nicht, dass ich Euch das nicht zutraue. Ihr habt einen scharfen Verstand und eine schnelle Auffassungsgabe. Allein, die Tradition verlangt nach einem Mann auf dem Thron. Das hat auch etwas Gutes, denn die Verantwortung Ägyptens würde nicht allein auf Euren Schultern ruhen.«
»Ihr werdet mich sicher unterstützen, wie Ihr es auch bei Tut getan habt«, sagte ich ganz ohne Hintergedanken.
Daraufhin lächelte Eje mich an und rückte ein Stück näher. Ich roch, dass er sich parfümiert hatte, trotzdem konnte ich seinen Alten-Männer-Geruch noch immer wahrnehmen.
»Es gibt nur wenige Männer, die genug wissen, um all die Dinge zu regeln, um die sich ein Pharao kümmern muss«, sagte er. »Es wäre daher vernünftig und auch sehr gut für
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