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Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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weißt du auch genau. Ich spreche von deiner Trinkerei.«
    »Ich soll trinken?« Johnny Harlows Gesicht war so unbewegt wie immer. »Wer behauptet das?«
    »Alle.«
    »Dann lügen eben alle.«
    Diese Bemerkung war ganz dazu angetan, die Unterhaltung verstummen zu lassen. Eine Träne fiel von Marys Gesicht auf ihre Armbanduhr, aber wenn Harlow es bemerkte, so sagte er jedenfalls nichts dazu. Mary seufzte ein paarmal und sagte schließlich leise: »Ich gebe auf. Es war dumm von mir, es überhaupt zu versuchen. Johnny, kommst du heute abend auf den Empfang des Bürgermeisters?«
    »Nein.«
    »Ich dachte, du würdest mich vielleicht begleiten. Bitte tu es doch!«
    »Damit du dich für mich aufopferst? Nein.«
    »Warum kommst du nicht? Alle anderen Rennfahrer kommen.«
    »Ich bin nicht irgendein Rennfahrer. Ich bin Johnny Harlow. Ich bin ein Ausgestoßener. Ich habe eine empfindliche und sensible Natur, und ich mag es nicht, wenn niemand mit mir spricht.«
    Mary legte beide Hände auf die seinen. » Ich werde mit dir sprechen, Johnny. Und du weißt, daß ich das immer tun werde.«
    »Ja, das weiß ich.« Harlows Stimme enthielt weder Bitterkeit noch Ironie. »Ich habe dich auf Lebzeiten zum Krüppel gemacht, und trotzdem wirst du immer mit mir sprechen. Bleib weg von mir, Kleines. Du bist noch so jung. Und ich bin Gift für dich.«
    »Es gibt einige Gifte, an die ich mich sehr leicht gewöhnen könnte.«
    Harlow drückte ihre Hand und stand auf. »Komm. Du mußt dich noch für den Empfang umziehen. Ich bringe dich zum Hotel zurück.«
    Sie traten aus dem Café. In einer Hand hielt Mary einen ihrer Stöcke, mit der anderen klammerte sie sich an Harlows Arm. Harlow, der den zweiten Stock trug, hatte seinen Schritt Marys Gangart angepaßt. Als sie langsam die Straße hinaufgingen, trat Rory aus dem Schatten des Hauseingangs gegenüber dem Café, in dem er Posten bezogen hatte. Er zitterte am ganzen Körper, denn die Nachtluft war empfindlich kalt, aber er schien es nicht zu bemerken. Nach seinem zufriedenen Gesichtsausdruck zu urteilen, beschäftigten Rory andere und angenehmere Dinge als die Temperatur. Er ging über die Straße und folgte Harlow und Mary in sicherer Entfernung bis zur ersten Kreuzung. Dort wandte er sich nach rechts und begann zu rennen.
    Als er am Hotel ankam, zitterte er nicht mehr, sondern war in Schweiß gebadet, denn er war den ganzen Weg gerannt. In der Hotelhalle verlangsamte er sein Tempo etwas, lief die Treppe hinauf, ging in sein Zimmer, wusch sich, kämmte sich, rückte seine Krawatte zurecht, verbrachte ein paar Sekunden vor dem Spiegel, um seinen traurig-ehrerbietigen Gesichtsausdruck noch einmal zu vervollkommnen, und machte sich dann auf den Weg zum Zimmer seines Vaters. Er klopfte, hörte ein gemurmeltes »Herein« und betrat das Zimmer.
    James MacAlpines Suite war bei weitem die bequemste des ganzen Hotels. Als Millionär konnte MacAlpine es sich leisten, sich selbst etwas zu verwöhnen, und als Mensch und Millionär sah er keinen Grund, es nicht auch zu tun. Aber momentan machte MacAlpine ganz und gar nicht den Eindruck, als genösse er den ihn umgebenden Luxus. Nein, wie er da so in einem tiefen Sessel zusammengesunken dasaß, schien er ihn nicht einmal zu bemerken. Er schien völlig versunken in irgendwelche düsteren Gedanken, aus denen er sich gerade genug herausriß, um den Kopf zu heben und seinem Sohn einen geistesabwesenden Blick zuzuwerfen, als dieser die Tür hinter sich zumachte.
    »Na, mein Junge, was gibt's? Hat es nicht Zeit bis morgen?«
    »Nein. Das hat es nicht.«
    »Na, dann 'raus damit. Aber schnell, du siehst doch, daß ich beschäftigt bin.«
    »Ja, Dad, ich sehe es.« Rorys Gesichtsausdruck blieb unverändert traurig-ehrerbietig. »Aber es gibt etwas, von dem ich glaube, daß ich es dir erzählen muß.« Er zögerte, als sei er etwas verwirrt durch die Neuigkeit, die er seinem Vater mitteilen wollte. »Es geht um Johnny Harlow, Dad.«
    »Alles, was du über Johnny Harlow erzählst, wird mit größter Vorsicht genossen.« Trotz dieses Hinweises trat ein interessierter Ausdruck in MacAlpines Augen. »Schließlich wissen wir alle, was du von Harlow hältst.«
    »Ja, Dad. Ich habe daran gedacht, bevor ich zu dir kam.«
    Rory zögerte erneut. »Du weißt, was alle sagen? Daß er zuviel trinkt?«
    »Ja. Und?« MacAlpines Stimme verriet nichts. Es kostete Rory einige Mühe, seinen treuherzigen Gesichtsausdruck beizubehalten. Die Sache ließ sich viel schwieriger an, als er

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