Dem Sieger eine Handvoll Erde
Dennoch lief sie auf vollen Touren, und die Temperatur in der luxuriös ausgestatteten Halle war regelrecht ungemütlich. Der gesunde Menschenverstand sagte einem, daß diese inneren klimatischen Verhältnisse unnötig waren, aber das Prestigedenken der Direktion ließ es nicht zu, daß ein derart wichtiges Statussymbol wie eine Klimaanlage außer Betrieb gesetzt wurde. Das ›Cessni‹ würde zum Geheimtip für brütendheiße Tage werden.
MacAlpine und Dunnet, die zwar nebeneinandersaßen, sich aber aufgrund der Konstruktion der imposanten, mit Samt überzogenen Clubsessel, in denen sie mehr lagen als saßen, kaum sehen konnten, hatten wichtigere Dinge im Kopf als die Klimaanlagen. Sie sprachen nur sporadisch, und wenn, dann mit einer bemerkenswerten Tonlosigkeit. Sie machten den Eindruck, als gäbe es nichts, was sie aufmuntern könnte. Dunnet setzte sich in seinem Sessel zurecht.
»Unser Vagabund ist heute aber lange unterwegs.«
»Er hat eine Entschuldigung«, sagte MacAlpine. »wenigstens hoffe ich, daß er eine hat. Er war immer ein sehr gewissenhafter Fahrer. Er wollte noch ein paar Runden drehen, um die Radaufhängung und die Gangschaltung seines neuen Wagens zu überprüfen.«
»Ich nehme an, es wäre nicht möglich gewesen, ihn Tracchia zu geben«, sagte Dunnet mit finsterem Gesicht.
»Das wäre völlig unmöglich gewesen, Alexis. Und das weißt du auch genau. Das hätte gegen das allmächtige Protokoll verstoßen. Johnny ist nicht nur die Nummer Eins des Coronado-Teams, er ist immer noch Weltbester. Unsere lieben Mäzene, ohne die wir nicht arbeiten könnten – ich könnte es zwar, aber ich bin nicht bereit, ein Vermögen aus dem Fenster zu werfen –, sind sehr sensible Leute. Vor allem, was die öffentliche Meinung betrifft. Der einzige Grund, aus dem sie ihre verdammten Produktnamen auf unsere Wagen malen, ist der, daß sie damit rechnen können, daß die Leute daraufhin ihre verdammten Produkte kaufen. Sie unterstützen uns nicht aus reiner Nächstenliebe. Sie sind ganz einfach Anzeigenkunden. Ein Anzeigenkunde will immer den größtmöglichen Käuferkreis erreichen. Neunundneunzigkommaneun Prozent des Marktes liegen außerhalb der Welt der Autorennen, und es ist völlig egal, ob sie über die Vorgänge in unserer Welt Bescheid wissen oder nicht. Wichtig ist nur, was sie glauben. Und sie glauben, daß Harlow immer noch einsam an der Spitze steht. Also bekommt Harlow auch den besten und neuesten Wagen. Wenn er ihn nicht bekommt, verliert die Öffentlichkeit das Vertrauen zu Harlow, in unsere Firma und in die Anzeigenkunden, und diese Reihenfolge muß nicht einmal unbedingt stimmen.«
»Die Tage der Wunder liegen vielleicht doch noch nicht endgültig hinter uns. Schließlich hat ihn niemand in den letzten zwölf Tagen einen Schluck trinken gesehen. Vielleicht überrascht er uns alle. Und bis zum italienischen Grand-Prix-Rennen sind es nur noch zwei Tage.«
»Wenn das stimmt, was du sagst, warum hatte er dann die beiden Flaschen Scotch in seinem Zimmer, die du vor einer Stunde von dort mitgebracht hast?«
»Ich könnte zum Beispiel sagen, daß er versucht hat, seine Standfestigkeit zu prüfen, aber ich glaube kaum, daß du mir das abnehmen würdest.«
»Würdest du es denn glauben?«
»Offen gestanden nein.« Dunnet versank wieder in düsteres Brüten, aus dem er nur weit genug emportauchte, um zu fragen: »Hast du irgendwas von deinen Spürhunden aus dem Süden gehört?«
»Nichts. Ich gebe langsam die Hoffnung auf, Alexis. Seit Maries Verschwinden sind jetzt schon vierzehn Wochen vergangen. Das ist zu lang, viel zu lang. Wenn sie einen Unfall gehabt hätte, hätte ich es bestimmt erfahren. Wenn irgendeine krumme Sache dahintersteckte, hätte ich es ganz bestimmt auch erfahren. Wenn sie entführt worden wäre, hätte ich es erst recht erfahren. Sie ist einfach verschwunden.«
»Und wir haben so oft über Gedächtnisschwund gesprochen.«
»Und ich habe dir schon so oft erklärt, daß niemand, der – das kann ich sagen, ohne angeberisch zu erscheinen – so bekannt ist wie Marie MacAlpine, so lange vermißt sein könnte, ohne irgendwo aufgegriffen zu werden. Ganz egal, in welcher geistigen Verfassung sie sich befindet.«
»Ich weiß. Mary leidet ziemlich darunter, nicht wahr?«
»Vor allem die letzten zwölf Tage haben sie mitgenommen. Und die Sache mit Harlow hat alles noch schlimmer gemacht. Alexis, wir haben ihr das Herz gebrochen – entschuldige, das ist unfair –, ich habe ihr
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