Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Sieger eine Handvoll Erde

Dem Sieger eine Handvoll Erde

Titel: Dem Sieger eine Handvoll Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
Vom Netzwerk:
die neue Autobahn nach Westen entlang der Riviera benützen oder die kürzere, aber kurvenreichere, direkte Straße nach Nizza wählen. Doch auf der Ventimiglia-Route hätten sie den italienischen und französischen Zoll nicht einmal, sondern zweimal passieren müssen; also entschied er sich für den direkten Weg.
    Nizza erreichten sie ohne Zwischenfall; über Cannes und Toulon kamen sie auf die Nationalstraße 8 nach Marseille. Etwa dreißig Kilometer hinter Cannes, kurz vor dem Dorf Beausset, passierte es.
    Als sie um eine Kurve kamen, sahen sie etwa vierhundert Meter weiter vorn vier Lichter: zwei feststehende Blinklichter und zwei Lampen, die sich auf und ab bewegten. Die beiden letzteren waren rot und wurden offensichtlich von zwei vorläufig noch unsichtbaren Händen in weitem Bogen hin und her geschwungen.
    Das Motorengeräusch veränderte sich ruckartig, als Harlow in einen niedrigeren Gang herunterschaltete. Das versetzte die dösenden Zwillinge in einen fast wachen Zustand, gerade noch rechtzeitig, daß sie – nur eine Sekunde später als Harlow – die Schrift auf den beiden Blinklichtern entziffern konnten, von denen das eine rot, das andere blau war und die abwechselnd aufblitzten: auf dem einen stand STOP, auf dem anderen POLIZEI. Hinter den Blinklichtern standen mindestens fünf Männer, zwei von ihnen mitten auf der Straße.
    Harlow lag flach auf dem Lenkrad und seine Augen verengten sich so, daß seine Pupillen kaum noch zu sehen waren. Er traf eine schnelle Entscheidung. Sein Arm und sein Bein bewegten sich gleichzeitig, und wieder veränderte sich das Motorengeräusch, als er um einen weiteren Gang herunterschaltete. Die beiden Lampen vor ihnen kamen zum Stillstand – die Männer, die sie hin und her geschwungen hatten, mußten annehmen, daß der Transporter anhalten würde.
    Fünfzig Meter vor der Straßensperre trat Harlow das Gaspedal bis auf den Boden durch. Er hatte absichtlich so weit heruntergeschaltet, denn auf diese Weise konnte er am schnellsten beschleunigen. Harlow ließ den Gang drin, der Motor röhrte gequält auf, und der Abstand zu den Blinklichtern wurde sehr schnell kleiner. Die beiden Männer, die die Lampen hin und her geschwungen hatten, sprangen eiligst zur Seite: Sie hatten begriffen – und es mußte eine sehr schmerzliche Erkenntnis gewesen sein –, daß der Transporter nicht daran dachte, anzuhalten.
    Im Führerhaus zeigten die Gesichter von Tweedledum und Tweedledee eine Mischung aus Entsetzen, Unglauben und Empörung. Harlows Gesicht war völlig unbewegt, als er die schattenhaften Gestalten, die so vertrauensselig mitten auf der Straße gestanden hatten, zur Seite springen sah. Das Dröhnen des schweren Dieselmotors wurde noch übertönt von dem Klirren splitternden Glases und dem Kreischen berstenden Metalls, als der Transporter die Blinklichter zermalmte, die mitten auf der Straße auf zwei Sockeln gestanden hatten. Zwanzig Meter weiter schlug in rascher Folge irgend etwas gegen die Rückseite des Transporters. Dieses Geräusch verstummte erst, als Harlow den schlingernden Transporter nach weiteren vierzig Metern in eine fünfundvierzig-Grad-Kurve zwang. Harlow schaltete einmal und dann noch einmal in den höchsten Gang. Er machte einen völlig unbekümmerten Eindruck, was man von den Zwillingen nicht gerade behaupten konnte.
    Tweedledum sagte mit erstickter Stimme: »Mein Gott, Johnny, bist du wahnsinnig? Wir werden noch vor Tagesanbruch im Gefängnis sitzen. Das war eine Straßensperre der Polizei, Mann!«
    »Eine Straßensperre der Polizei ohne Polizeiwagen, ohne Polizeimotorräder, ohne Polizeiuniformen. Ich frage mich wirklich, wozu ihr eure Augen habt.«
    »Aber diese Blinklichter …«, sagte Tweedledee zaghaft.
    »Ich werde es mir verkneifen, dich mitleidig anzuschauen«, sagte Harlow freundlich. »Und was diese Polizisten betrifft, so ist mir nicht bekannt, daß die französische Polizei Masken trägt, und auch nicht, daß sie Waffen mit Schalldämpfern benützt.«
    »Schalldämpfer?« fragten die Zwillinge wie aus einem Munde.
    »Ihr habt doch diese komischen Geräusche hinten am Transporter gehört! Was glaubt ihr, haben die Männer gemacht? Mit Steinen nach uns geworfen?«
    »Wer …?« fragte Tweedledum.
    »Straßenräuber. Angehörige eines hier sehr angesehenen Berufszweiges.«
    Harlow bat im stillen die ehrlichen Bürger der Provence für diese unwahre Unterstellung um Verzeihung. Aber etwas Besseres war ihm im Moment nicht eingefallen. Und

Weitere Kostenlose Bücher